„Das kann doch nicht wahr
sein.“ Im ersten Moment ist da nur dieser eine Satz. „Das kann doch nicht wahr
sein!“ Aber es ist wahr. Seine schlimmsten Befürchtungen sind eingetroffen. Die
ständigen Kopfschmerzen seiner Frau haben einen Grund. Ein Gehirntumor, genau
wie bei ihrer Mutter. Und die ist daran gestorben. Natürlich, die Medizin ist
inzwischen viel weiter. Aber ihm steht vor Augen, wie gefährlich die Operation
ist, die nun unverzüglich anberaumt wird.
Es ist ihm nicht möglich, in
den wenigen Tagen zuvor offen mit seiner Frau zu sprechen. Alles erscheint ihm
belanglos, die Dinge, die bisher wichtig waren, verlieren ihren Wert. Das,
worauf er sich verlassen hat, gibt ihm auf einmal keinen Halt mehr.
Gleichzeitig kann er weder seine Ängste noch seine Gefühle angemessen in Worte
fassen. Und was in ihr vorgeht, davon hat er überhaupt keine Ahnung.
Klar, Beten könnte in dieser
Situation eine Hilfe sein. Aber so ein Gedanke kommt ihm vorläufig nicht in den
Sinn. Erst als die Operation überstanden ist und seine Frau aus dem Koma
erwacht, da merkt er, dass er nicht nur den Ärzten gegenüber dankbar ist. Es
gelingt ihm sogar, seine Dankbarkeit in zögerlichen Worten zum Ausdruck zu
bringen. Und während er diese Worte leise ausspricht, hält er die Hände
gefaltet wie früher als Kind.
Allerdings ist noch ein
langer Weg zu gehen. Ihre Bewegungsmöglichkeiten sind eingeschränkt. Und das
Sprechen muss sie ganz neu lernen. Er versucht alles, um ihr zu helfen, bei ihr
zu sein, sie durch seine Nähe zu stärken. Obwohl er selbst nicht weiß, woher er
die Kraft dafür nehmen soll. Denn eigentlich hat er genug damit zu tun, seine
eigenen Ängste im Zaum zu halten. Die Furcht, die ihm in den Knochen steckt,
dass sie es nicht schaffen könnte. Die Beklemmung, die ihn erfasst, wenn er
sich fragt, wie das ohne sie alles werden soll. Nur ganz allmählich weicht
diese Beklemmung einer Hoffnung, die ihm zunehmend Kraft gibt, um wenigstens
diesen einen neuen Tag anzugehen.
So bewahrheitet sich an ihm
ein Zitat von Dietrich Bonhoeffer, einem Theologen, der im Dritten Reich
Widerstand geleistet hat und ermordet wurde. Aus seiner Gefängniszelle heraus schreibt
er: „Gott will uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben, wie wir
brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.“
Als seine Frau langsam in das
alltägliche Leben zurückfindet, da erleben sie beide, dass dieser Satz wahr
ist. „Gott gibt uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft, wie wir
brauchen.“ Das gilt übrigens auch für Sie: Auch Ihnen gibt Gott heute so viel
Kraft, wie Sie nötig haben für das, was vor Ihnen liegt.
Redaktion:
Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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