Die Krone der Schöpfung

Kirche in WDR3 | 09.09.2021 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen,

im

Sommer habe ich mal wieder ein richtiges Bad im Wald genommen! Die gute

erfrischende Luft eingeatmet, 800 und 1000-jährige Eichen bestaunt und sie auf

einem Baumwipfelpfad von oben besichtigt. Und dabei festgestellt: Baummuseen

sind mittlerweile fast ebenso beliebt wie Tierparks. Nicht erst seit Politiker

Bäume umarmen und es Fridays for future gibt nähern wir uns als Menschen der

Natur wieder mehr an. Längst erforscht die Wissenschaft, inwiefern nicht nur

Tiere, sondern auch Pflanzen menschliche Fähigkeiten haben. Da heißt es: Es

gibt Pflanzen, die gefährliche von harmlosen Geräuschen unterscheiden können. Bäume

atmen Sauerstoff ein und gewinnen daraus Energie. Mit ihren Wurzeln können sie

tasten und schmecken. Sie pumpen das Wasser im Stamm von unten nach oben,

ähnlich wie unser menschliches Herz das Blut durch unsere Adern pumpt. Ich

finde das eine spannende Sichtweise. Der bekannte Förster und Naturschützer

Peter Wohlleben macht uns in seinen Büchern eindrücklich darauf aufmerksam: Die

biologische Rangordnung von Pflanzen, Tieren und dann dem Menschen an der

Spitze der Entwicklung als Krone der Schöpfung ist längst nicht mehr haltbar. Auch

Pflanzen können Empfindungen haben und auf sie reagieren. Wir sollten die Natur

mit uns zusammen als ein System sehen, in dem alles ineinandergreift, mahnt Peter

Wohlleben. Was gut möglich ist, da wir uns – wie er es einschätzt – gar nicht

so weit von der Natur entfernt haben, wie wir meinen. Die Rangordnung ist wie

er und andere es sehen eher kulturhistorisch und religiös begründet, nicht

wissenschaftlich. In der Bibel lesen Menschen eben seit Jahrtausenden: „Seid

fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan und

herrscht über die Fische am Meer und über die Vögel am Himmel und über das Vieh

und über alles Getier, das auf Erden kriecht. …Ich habe euch gegeben alle

Pflanzen …und alle Bäume… zu Eurer Speise. Aber allen Tieren… habe ich alles

grüne Kraut zur Nahrung gegeben.“ (Die Bibel, 1. Mose 1, 28) Diese Übersetzung,

sich die Erde untertan zu machen und die Beschreibung der Nahrungskette hat zu

einer regelrechten Ausbeutung der Erde für menschliche Zwecke geführt. Heute

legen wir das in der theologischen Wissenschaft anders aus: Wir sind

verantwortlich für diese Welt. Pflanzen und Tiere sind ebenso schützenswert und

sollen ebenso in ihr leben können wie der Mensch. Aktuell stellt sich ja wieder

mehr denn je die Frage, wie wir unsere Verantwortung für die Schöpfung richtig

wahrnehmen, damit sie erhalten bleibt und damit auch wir selbst. Wie wir den

Klimawandel aufhalten können. Kleine persönliche Schritte, wie weniger Fleisch

essen, Bioprodukte kaufen, Kästen für Bienen und Insekten aufstellen, Wasser

sparen, Fahrrad fahren und Plastiktüten vermeiden sind sinnvoll, weil sie uns

daran erinnern, uns um die Schöpfung zu kümmern, aber sie reißen das Ruder

nicht mehr herum.

Da

ist jetzt Politik im großen Stil und weltweit gefragt. Es hilft aber sicher

auch ein veränderter Blick auf die Natur. Sich mehr als Teil von ihr zu verstehen,

die Welt als gemeinsamen Lebensraum für Tiere, Menschen und Pflanzen wahrzunehmen

und auch so zu behandeln. So interessante Dinge zu erfahren, wie dass es

Pflanzen weh tut, wenn sie ein Käfer anknabbert und dass Bäume schlafen, hilft

mir dabei. (1)

Ihre

Pfarrerin Barbara Schwahn, Meerbusch.

Quelle:

(1) Peter Wohlleben,

Das geheime Band zwischen Mensch und Natur, München 2/2019, vor allem S. 104 ff

Die Grenze zwischen Tier und Pflanze fällt.

Redaktion: Landespfarrerin

Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/56121_WDR3520210909Schwahn.mp3

  • 9.9.2021
  • Dr. Barbara Schwahn
  • © CCO Pixabay
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