Guten
Morgen,
im
Sommer habe ich mal wieder ein richtiges Bad im Wald genommen! Die gute
erfrischende Luft eingeatmet, 800 und 1000-jährige Eichen bestaunt und sie auf
einem Baumwipfelpfad von oben besichtigt. Und dabei festgestellt: Baummuseen
sind mittlerweile fast ebenso beliebt wie Tierparks. Nicht erst seit Politiker
Bäume umarmen und es Fridays for future gibt nähern wir uns als Menschen der
Natur wieder mehr an. Längst erforscht die Wissenschaft, inwiefern nicht nur
Tiere, sondern auch Pflanzen menschliche Fähigkeiten haben. Da heißt es: Es
gibt Pflanzen, die gefährliche von harmlosen Geräuschen unterscheiden können. Bäume
atmen Sauerstoff ein und gewinnen daraus Energie. Mit ihren Wurzeln können sie
tasten und schmecken. Sie pumpen das Wasser im Stamm von unten nach oben,
ähnlich wie unser menschliches Herz das Blut durch unsere Adern pumpt. Ich
finde das eine spannende Sichtweise. Der bekannte Förster und Naturschützer
Peter Wohlleben macht uns in seinen Büchern eindrücklich darauf aufmerksam: Die
biologische Rangordnung von Pflanzen, Tieren und dann dem Menschen an der
Spitze der Entwicklung als Krone der Schöpfung ist längst nicht mehr haltbar. Auch
Pflanzen können Empfindungen haben und auf sie reagieren. Wir sollten die Natur
mit uns zusammen als ein System sehen, in dem alles ineinandergreift, mahnt Peter
Wohlleben. Was gut möglich ist, da wir uns – wie er es einschätzt – gar nicht
so weit von der Natur entfernt haben, wie wir meinen. Die Rangordnung ist wie
er und andere es sehen eher kulturhistorisch und religiös begründet, nicht
wissenschaftlich. In der Bibel lesen Menschen eben seit Jahrtausenden: „Seid
fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan und
herrscht über die Fische am Meer und über die Vögel am Himmel und über das Vieh
und über alles Getier, das auf Erden kriecht. …Ich habe euch gegeben alle
Pflanzen …und alle Bäume… zu Eurer Speise. Aber allen Tieren… habe ich alles
grüne Kraut zur Nahrung gegeben.“ (Die Bibel, 1. Mose 1, 28) Diese Übersetzung,
sich die Erde untertan zu machen und die Beschreibung der Nahrungskette hat zu
einer regelrechten Ausbeutung der Erde für menschliche Zwecke geführt. Heute
legen wir das in der theologischen Wissenschaft anders aus: Wir sind
verantwortlich für diese Welt. Pflanzen und Tiere sind ebenso schützenswert und
sollen ebenso in ihr leben können wie der Mensch. Aktuell stellt sich ja wieder
mehr denn je die Frage, wie wir unsere Verantwortung für die Schöpfung richtig
wahrnehmen, damit sie erhalten bleibt und damit auch wir selbst. Wie wir den
Klimawandel aufhalten können. Kleine persönliche Schritte, wie weniger Fleisch
essen, Bioprodukte kaufen, Kästen für Bienen und Insekten aufstellen, Wasser
sparen, Fahrrad fahren und Plastiktüten vermeiden sind sinnvoll, weil sie uns
daran erinnern, uns um die Schöpfung zu kümmern, aber sie reißen das Ruder
nicht mehr herum.
Da
ist jetzt Politik im großen Stil und weltweit gefragt. Es hilft aber sicher
auch ein veränderter Blick auf die Natur. Sich mehr als Teil von ihr zu verstehen,
die Welt als gemeinsamen Lebensraum für Tiere, Menschen und Pflanzen wahrzunehmen
und auch so zu behandeln. So interessante Dinge zu erfahren, wie dass es
Pflanzen weh tut, wenn sie ein Käfer anknabbert und dass Bäume schlafen, hilft
mir dabei. (1)
Ihre
Pfarrerin Barbara Schwahn, Meerbusch.
Quelle:
(1) Peter Wohlleben,
Das geheime Band zwischen Mensch und Natur, München 2/2019, vor allem S. 104 ff
Die Grenze zwischen Tier und Pflanze fällt.
Redaktion: Landespfarrerin
Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/56121_WDR3520210909Schwahn.mp3