"Nun danket alle Gott" eg 321

Choralandacht | 30.07.2022 | 00:00 Uhr

Musik 1: "Nun danket alle Gott", Text: Martin

Rinckart; Komposition: Johann Crüger; aus: Schein: Israels Brünnlein ; Opella

Nova II / Cantus Cölln ; Konrad Junghänel | WDR | 13.02.1995 – 16.02.1995 |

4:06 | Archivnummer 6021646117.001.001.

Autorin: Zwei Männer- und zwei

Frauenstimmen. Einzeln hörbar aber auch aufeinander aufbauend. Dann gleichsam

umeinander herumtanzend drücken sie das Lob Gottes aus. So jedenfalls wirken

diese Stimmen im Satz von Johann Hermann Schein auf mich. Sie entwickeln sich

eigenständig, finden aber zwischendurch immer wieder auch zusammen, so als ob

es einen Ruhepunkt gäbe, zu dem die Einzelnen zurückkehren. Um dann im voll

entfalteten Klang Gottes Vollkommenheit zum Ausdruck zu bringen.

Die Geschichte dieses Chorals ‚Nun danket alle Gott‘

und die Übersetzungen ins Englische und ins Französische zeigen, dass das Lied

schon immer gerne gesungen wurde. Es erklang wohl 1630 bei der Hundertjahrfeier

des Augsburger Bekenntnisses und auch 1648 zur Feier des Westfälischen Friedens

am Ende des 30-jährigen Krieges.

Musik 2: "Nun

danket alle Gott" (für gemischten Chor (SATB) und Orgel); Text: Martin Rinckart; Komposition: Johann Crüger; aus: Lob, Ehr und Preis sei Gott. Die

schönsten deutschen Kirchenlieder (Vocal Concert Dresden, Dir.: Peter Kopp) |

WDR | 27.04.2013 – 01.05.2013 | 2:39 | Archivnummer 6189460122.001.001.

Sprecher

(Overvoice):

Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen,

der große Dinge tut an uns und allen Enden,

der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an

unzählig viel zugut und

noch jetzt und getan.

Autorin: Wenn ich mit mir und der Welt im Frieden lebe, dann ist es ganz einfach,

Gott zu danken. Ich sitze in der Sonne am Meer, betrachte das Wasser und die

leichten Wellen und kann spüren, wie gut es mir geht. Danke Gott, dass ich all

das erleben kann, meine Gesundheit, meine Freiheit, meine vielen guten

Beziehungen zu ganz unterschiedlichen Menschen. Danke Gott!

‚Nun danket alle Gott‘ wurde aber nicht nur bei

Friedensfesten gesungen, sondern auch bei militärischen Siegesfeiern und

patriotischen Festlichkeiten. Sehr befremdlich für mich. Kann man auch im Krieg

‚Nun danket alle Gott‘ singen oder singen lassen?

Am Meer sitzend denke ich aber auch an Menschen, denen es

gerade nicht gut geht. Als erstes fallen mir die Männer, Frauen und Kinder in

der Ukraine ein und die Geflüchteten. Allesamt müssen sie mit ganz

fürchterlichen Erlebnissen klarkommen. Und ich denke an einen Mann in unserer

Gemeinde, dessen Frau bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, dessen Tochter

an Krebs gestorben ist, und dessen eigene Kräfte mit den Jahren immer mehr

nachlassen. Ob all diese Menschen auch so einfach Gott loben können?

Martin Rinckart, der Dichter

des Liedes, kennt das Leid und er blendet es auch nicht aus. Sondern er wendet

sich an Gott mit seiner großen Bitte.

Musik 2

Sprecher (Overvoice):

Der

ewigreiche Gott woll uns bei unserm Leben

Ein

immerfröhlich Herz und edlen Frieden geben

Und

uns in seiner Gnad erhalten fort und fort

Und

uns aus aller Not erlösen hier und dort.

Autorin: Die Sehnsucht nach Frieden,

als Bitte an Gott formuliert, scheint eine zeit- und kulturübergreifende

Sehnsucht von Menschen zu sein. So hat Martin Rinckart sie fast wörtlich in einem

biblischen Gedicht, im Buch Jesus Sirach, gefunden. Es bildet die Grundlage für

seinen Liedtext. Und in einer Notiz heißt es, dass Martin Rinckart das

Originalmanuskript im Juni 1630, also mitten im dreißigjährigen Krieg, seinen

Kindern als Tischgebet überreicht habe.

Immer wieder finde ich in der Bibel auch Träume,

Visionen vom Frieden. Und alle sind sie entstanden in Zeiten von Elend und allergrößter

Not. Ich denke an einen Satz aus dem Buch des Propheten Jesaja.

Sprecher:Die Frucht der

Gerechtigkeit wird Friede sein, und der Ertrag der Gerechtigkeit wird Ruhe und

Sicherheit sein auf ewig, dass mein Volk in friedlichen Auen wohnen wird, in

sicheren Wohnungen und in sorgloser Ruhe.

Autorin: Dass Gottes Wort wahr werde,

auch in der Ukraine, darum will ich Gott bitten. Und ich will nicht aufhören

damit, nur weil ich das heute so noch nicht sehen kann.

Die Menschen, die lebten, während um sie herum der

30-jährige Krieg tobte, haben ihn auch noch nicht gespürt, den edlen Frieden,

den sie so sehr herbeisehnten. Und trotzdem konnten sie Gott loben. Den

dreieinigen Gott, als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Besonders wichtig ist

dabei Gottes Geist, Gottes Geist als die Kraft, die tröstet – und die in

Bewegung bringt.

Damit das, was im Geiste Gottes möglich ist, auch geschehen

kann, braucht es die praktische Geistesgegenwart von Menschen, tagtäglich. Mit

dem Ziel ‚Frieden‘ im Kopf können Mann oder Frau in Verhandlungen all ihre

kommunikativen Fähigkeiten und ihre diplomatische Kunst einsetzen und mit

Argumenten der Gegenseite umgehen. Sie können Angebote machen und eigene

Bedürfnisse nach Sicherheit zum Ausdruck bringen. Geistesgegenwart von Gott und

Geistesgegenwart unter den Menschen. Geisteskraft im doppelten Wortsinn.

Musik 2

Sprecher

(Overvoice):

Lob, Ehr und Preis sei Gott, dem Vater und dem Sohne

und dem, der beiden gleich im höchsten Himmelsthrone,

dem dreimal einen Gott, wie es ursprünglich war

und ist und bleiben wird jetzund und immerdar.

Autorin: Mit der Realität der

Krankheit oder des Krieges vor Augen, ist es schwer, das Lob Gottes so

vollmundig anzustimmen, wie wir es gerade gehört haben. Und Kritiker religiöser

Bindungen sind schnell dabei mit Unverständnis oder auch Häme. „Alles schöne

Träume, träum weiter, alles Utopien“ Ja, das muss ich so stehenlassen. ‚Ou

Topos‘ heißt in der deutschen Übersetzung ‚Nicht-Ort‘. Etwas beweisen, was ich

für die Zukunft erhoffe. Das kann ich nicht. Aber ich kann meine Hoffnung auf

etwas setzen. Ich kann mein Leben gut leben mit Versprechen und Verheißungen. Das

ist auch eine Realität. Und sie verändert meine Wirklichkeit. Schon hier und schon

jetzt.

Friedrich-Wilhelm Marquard, ein großer evangelischer

Denker, hat vorsichtig einmal so gefragt: ‚Was dürfen wir hoffen, wenn wir

hoffen dürften?‘. Die Antwort fand er in den biblischen Geschichten von Gottes

Frieden. Und die Antwort darauf geben wir alle, egal welcher Religion oder

Weltanschauung wir uns zuordnen. Wir geben sie mit unserem Leben, mit unserem

Reden, mit unserem Handeln und – mit unserem Singen. Vielstimmig.

Musik 3: "Nun

danket alle Gott" (für gemischten Chor und Orgel); Text: Martin Rinckart; Komposition: Johann Crüger; aus: Morgenlicht (Rundfunkchor Berlin, Dir.:

Simon Halsey) | WDR | 11.2012 | 2:44 | Archivnummer 6188857115.001.001.

Quellen:

Marti, Andreas, Nun danket

alle Gott, in: Herbst, Wolfgang, Seibt, Ilsabe, Liederkunde zum Evangelischen

Gesangbuch, Heft 16, Göttingen, Vandenhoeck und Ruprecht 2011, S. 35-43.

Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

  • 30.7.2022
  • Gerlinde Anders
  • (Foto: Pixabay)