Ein König betet

Kirche in WDR3 | 11.08.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen.

Kennen Sie Hiskia? Nein? Dann müssen

Sie ihn kennenlernen. Hiskia war um 700 vor Christus König in Jerusalem. Vor

den Toren der Stadt hatte der assyrische Herrscher Sanherib sein Heer gesammelt

und plante die Erstürmung der Stadt. Alle Nachbarstaaten hatten sich ihm

bereits unterworfen. Da wird Hiskia ein Brief durch den Gesandten des

assyrischen Herrschers überreicht. Er enthält ein Ultimatum: „Du hast jetzt die

Wahl: Entweder Vertrag oder Tod, nachgeben oder sterben!“

Über zwanzig Jahre hat Hiskia sein

kleines Land Juda vor der Eroberung durch die Supermacht Assyrien schützen

können. Israel, den Bruderstaat im Norden, gab es längst nicht mehr. Die

Assyrer setzten alles daran, ihre Macht auszuweiten und zu stärken. Hiskia hat

es gewagt, sich von den Assyrern loszusagen. Doch das haben diese nicht

vergessen. Nun sind sie in Juda eingefallen und belagern Jerusalem.

Hiskia muss sich entscheiden:

Unterwerfung oder Zerstörung. Und er trifft eine Entscheidung.

Es ist eine einsame Entscheidung. Auf

ihm alleine lastet die Verantwortung. Es bleibt nicht viel Zeit. Das Ende des

Staates Juda ist unausweichlich. Hiskia, ein frommer König, ist sich seiner

Verantwortung für sein Volk vor Gott bewusst. Seine Politik, hat dem Land

bisher einen brüchigen Frieden bewahrt, aber gegen die Rachsucht von Sanherib,

dem assyrischen Herrscher, gibt es wohl keine Chance mehr.

Im Grunde genommen hat es nie einen

richtigen Frieden gegeben. Zu guten vertrauensbildenden Maßnahmen ist es nie

gekommen. Ein Verständnis füreinander, eine tragfähige Versöhnung mit dem

übermächtigen Feind hat es in den relativ ruhigen Jahren, als der heiße Krieg

kalt geworden war, nie gegeben. Wir wissen nichts über diplomatische Bemühungen

in der damaligen Zeit und wann sie abgesagt wurden.

Nach dem Ultimatum Sanheribs bleibt

Hiskia nur noch ein Weg offen. In nüchternen Worten berichtet die Bibel:

"Als Hiskia den Brief von den Boten empfangen und gelesen hatte, ging er

hinauf zum Haus Gottes, des Herrn und breitete ihn aus vor dem Herrn." (2.

Könige 19,14, Die Bibel, Luther 2017)

Hiskia betet im Tempel. Manch einer mag

das für eine Kapitulation des menschlichen Geistes halten, das Eingeständnis,

dass der Verstand, die Ratio, gegen brutale Gewalt nichts ausrichtet. Doch das

Gebet ist nicht das Ende der Vernunft; es ist die ultima ratio in der

Verantwortung für das Wohlergehen der Menschen.

Das Gebet mag das Eingeständnis sein,

dass ich mit meinem Latein am Ende bin, – der Volksmund sagt dann: Irgendwann

hilft nur noch beten! – aber zugleich ist es das Zutrauen, dass Gott Wege aus

der Gefahr und der Angst weiß. So wird das Herz getrost und der Blick frei für die

Gelegenheiten Gottes. Und das geschieht. Völlig überraschend kommt die Wende:

Sanherib muss die Belagerung abbrechen. Man weiß bis heute nicht genau, warum.

Aber eine 80 Jahre dauernde Friedensperiode nahm hier ihren Anfang.

Solche Zeiten sind von Gott geschenkte

Bewährungsfristen, die es zu nutzen gilt. Zeiten, in denen Entspannung und

Frieden eingeübt und Versöhnung gelebt werden sollten. Gott eröffne uns hier

und heute in der Welt, die sich am Rande eines großen Krieges und

wirtschaftlicher und sozialer Not bewegt, wieder Ruhe und Frieden. Das Gebet

dafür lohnt sich immer.

(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und WDR 5: )

Solchen Frieden wünscht Ihnen Rüdiger

Schnurr aus Siegen

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 11.8.2022
  • Rüdiger Schnurr
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