Geteilte Goldmedaille

Kirche in WDR3 | 12.07.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen.

Egal, ob die French Open, die

olympischen Spiele oder einfach bloß das Fußballspiel zwischen dem SC Bad

Salzuflen und SV Werl-Aspe. Ich finde es spannend mir diese Wettkämpfe

anzuschauen. Ich fiebere gerne mit. Ich teile mit den Teams die unendliche

Freude über den Sieg, einen Platz auf dem Treppchen, eine Platzierung unter den

besten fünf oder auch nur über die persönliche Bestleistung. Ansatzweise kann

ich auch das Gefühl von Scheitern mitfühlen. Wie enttäuscht ist da einer, wie

traurig ein anderer, wie groß sind Ärger und Wut, wenn man weiß: Ich kann es

doch eigentlich besser. Aber ich konnte es nicht zeigen. Die Tränen, die dann

fließen, tun mir leid.

Bei allem sportlichen Ehrgeiz

und Konkurrenzkampf erlebe ich auch vor oder nach dem Wettkampf oder dann bei

der Siegerehrung eine Solidarität und ein Miteinander. Denn man teilt ja nicht

nur die Leidenschaft für einen gemeinsamen Sport. Sondern alle, die

Wettkampf-Sportarten machen oder lieben wissen, was es bedeutet dabei zu sein,

den Druck zu spüren, gewinnen zu wollen, zeigen zu wollen, was man kann. Man

gratuliert sich, tröstet sich und freut sich für den anderen – oder man teilt

sich wie bei diesen olympischen Sommerspielen von Tokyo die Goldmedaille.

Doch dann gibt es da die

Spielverderber, die Paragrafenreiter – diese Regelspezialisten. Diejenigen, die

direkt mit den Spielregeln oder den Wettkampf-Bestimmungen herumwedeln.

Diejenigen, die nur die Regeln und ihre Einhaltung im Blick haben. Worum es

dabei eigentlich geht, tritt dabei einfach in den Hintergrund. Das kennt man

natürlich auch in anderen Bereichen. Nicht nur im Sport. Jesus hat mal Stellung

bezogen zu dem Thema: Er sagt: „Die Regeln sind für

den Menschen da, nicht der Mensch für die Regeln.“ Er mutet uns zu, selbst klug zu entscheiden, wo Regeln

unbedingt angewendet werden müssen und wo auch mal eine Ausnahme erlaubt ist.

Und er traut uns zu, diese Entscheidung gut zu treffen.

Freiheit, vor allem

Entscheidungsfreiheit ist nicht immer leicht. Weder auf dem Sportplatz, noch bei

Olympia oder auch sonst im Leben. Jesus und seine Jüngerinnen und Jünger

wussten: Wir treffen keine einsame Entscheidung. Wir haben einander. Da sind

andere, die uns bestärken, uns unterstützen, uns anfeuern und uns einen

Powerriegel kurz vorm Ziel reichen. Doch da sind nicht nur andere, sondern da

ist auch Gott, der die Entscheidung mit uns trägt. Eine Entscheidung getroffen

mit Verstand und vor allem dem Herz. Mit Liebe.

„Liebe deinen Nächsten wie

dich selbst!“ Sagt Jesus dann noch. Die Liebe, die ein Geschenk Gottes

ist und eine Liebe, die verwirrende Welt mit ihren tausend Entscheidungen

weniger bedrohlich macht. Und es ist ja so: Die Jüngerinnen und Jünger treibt

nicht die Lust an der Grenzüberschreitung oder die Neugierde auf das Verbotene

an oder das Gewinnen einer Medaille. Sie wollen etwas für die Menschen und

wollen dazu Regeln brechen. Aber eben nicht um jeden Preis. Menschen brauchen Regeln als Hilfe und

Anleitung. Als Richtschnur, die Orientierung bietet. Aber das leitende Maß ist

die Liebe – und dann kann man doch teilen, was man nicht für möglich gehalten

hat: wie eine Goldmedaille.

(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und WDR 5:)

Es grüßt Sie, Pfarrerin Veronika Grüber aus Bad

Salzuflen.

Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 12.7.2022
  • Veronika Grüber
  • (Foto: Pixabay)
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