Guten Morgen,
seit ich das Licht der Welt erblickt habe, begleitet mich
meine Sehkraft als wertvolles Geschenk. Doch das Auge ist sehr empfindlich und
das gute Sehenkönnen ist keine Selbstverständlichkeit. Ich muss seit meiner
frühesten Kindheit bereits eine Brille tragen, weil ich von Geburt an auf einem
Auge fast blind bin. Für andere Menschen wird die Brille erst ein Thema, wenn
sich im Laufe ihres Lebens eine zunehmende Sehschwäche herausstellt. Und auch
bei mir verschlechtern sich die Augen immer mal wieder.
Und jedes Mal bekomme ich angepasste und stärkere Gläser
verordnet und kann wieder besser lesen. Doch leider bedeutet das nicht, dass
ich in wichtigen Dingen und Situationen auch einen besseren „Durchblick“ habe.
Aber wäre das nicht eine wunderbare sogar geniale Erfindung? Eine Brille, mit der
ich in die Lage versetzt werde, zum Beispiel Chancen im Leben klarer zu sehen
und Entscheidungen zielsicherer und erfolgreicher zu treffen. Ebenso
Unwägbarkeiten besser zu durchschauen oder eventuell auftretende Gefahren
früher zu erkennen. Wie hilfreich wäre ein optisches Instrument, womit ich mich
auf das Wesentliche in meinem Leben fokussieren oder wichtige Details in aller
Schärfe vergrößern kann. Wenn es um grundlegende existentielle Fragen geht,
habe ich ja oftmals einen „Knick in der Optik“, wie es so schön heißt, und
beurteile sie nicht unbedingt richtig und zutreffend. Mir stellt sich im Alltag
häufig die Frage: Macht das, was ich im guten Glauben beabsichtige, auch
wirklich Sinn? Oder ich frage mich, wie meine Zukunft aussehen könnte. Da tappe
ich völlig im Dunkeln, weil ich die gar nicht abschätzen kann.
Tja – und wenn es gar um die Frage nach Gott und seiner
Existenz geht – da sind wir wohl alle eher im Blindflug unterwegs. Um Gott
erkennen zu können, hilft keine noch so gute Brille. Es ist sozusagen ein
blindes Vertrauen darauf, dass es ihn gibt. Einen Anhaltspunkt finde ich in
Jesus Christus. Den hat Gott in die Welt geschickt, damit er von ihm erzählt
und ihn offenbart. Jesus hat mir durch seine Worte und Handlungen gezeigt, wie
ich Zugang zur Nähe und Gemeinschaft mit ihm und Gott bekommen kann. Im
Lukas-Evangelium in der Bibel (1) wird uns von einem blinden Mann berichtet. Er
tastet und kämpft sich lautstark und verzweifelt zu Jesus Christus vor. Die
Leute, die da ebenfalls in Scharen zusammengekommen sind, wollen ihn daran
hindern, mit Christus in Kontakt zu kommen. Doch das löst bei dem Blinden nur
noch den heftigeren Willen aus, Jesus näher zu kommen. Und so schreit er aus
Leibeskräften: „Jesus, du Sohn Gottes! Hab Erbarmen mit mir!“ Als Jesus sich
erkundigt: „Was willst du, dass ich für dich tun soll?“, platzt es aus dem
Blinden heraus: „Herr, ich möchte sehen können!“ (Lukas 18,41). Und Jesus
erkennt, was für ein großes Vertrauen der blinde Mann hat und wie stark sein
Glaube und seine Hoffnung sind, dass Jesus ihm helfen kann. In dieser
Geschichte wird der Mann geheilt. Jesus um Heilung zu bitten, ist eine große
Kraft. Ich hoffe, dass mein Gebet erhört wird. Oft bete ich um eine klare Sicht
dafür, wer Gott ist und was er mir an Gutem in meinem Alltag schenkt. Ich finde
das ist ein schönes Gebet: Gott bitten, mir die Augen des Herzens zu öffnen:
für ihn, für das, was er mir schenkt und einen guten Weg für uns alle.
Prädikant Werner Brück aus Remscheid.
Quelle:
(1) Die Bibel, Luther 2017, Lukas 18,35-43.
Redaktion: Landespfarrerin
Petra Schulze