Autorin: „Boker tov“ – das ist Hebräsch und heißt: Guten Morgen.
Erinnern Sie sich noch an ein Tischgebet aus
Ihrer Kindheit oder beten Sie heute vielleicht noch vor dem Essen? Bei meiner
Frau zu Hause wurde immer gesungen: „Jedes Tierlein hat sein Essen, jedes
Blümlein trinkt von dir. Hast auch unser nicht vergessen. Lieber Gott, wir
danken dir.“ Es gibt natürlich noch viel mehr Tischgebete. Bei mir zu Hause gab
es einen Gebetswürfel. Sechs Seiten – sechs Kindergebete. „Lieber Gott, segne
flott.“, das gefiel mir immer besonders gut.
Was beten eigentlich unsere jüdischen
Geschwister? Matvey Kreymerman – Familienbeauftragter der jüdischen
Synagogengemeinde Düsseldorf – erzählt mir, dass es auch im Judentum ein paar
mehr Tischgebete gibt, als auf einen Gebetswürfel passen:
O-Ton: „Für alles im Prinzip gibt es einen Segenspruch. Also im Judentum es
nicht nur Segensprüche
auf Essen, sondern zum Beispiel, wenn wir den Donner hören oder den Blitz oder
sowas. Das sind einfach Momente, wo wir Gott als Schöpfer anerkennen und
wahrnehmen.“
Autorin: Gott als
Schöpfer wahrnehmen und danke sagen. Das klingt dann so: „Baruch ata adonai,
melech ha ohlam, …“ – „Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, …“
So beginnen alle jüdischen Segenssprüche. Egal ob vor dem Essen oder eben
wenn’s draußen blitzt, donnert oder regnet.
Und
was steckt dahinter? Matvey Kreymerman erklärt:
O-Ton: „Und das
Ziel ist es eben, Dinge – nicht nur Essen – generell Dinge im Leben nicht
selbstverständlich zu nehmen, sondern da steckt was dahinter. Und jedes Mal,
wenn wir einen Segensspruch sagen, erinnern wir uns daran und bringen das in
unsere Erinnerung und in unser Bewusstsein. Und beim Essen ist es zum Beispiel
so, dass, je nachdem was für ein Essen das ist, also auf dem Baum gewachsen
ist, kommt es aus der Erde – Kartoffeln, zum Beispiel, Möhren – gibt es
verschiedene Segensprüche.“
Autorin: Kartoffeln
und Möhren, die kommen aus der Erde. Da sagt man dann: „Gelobt seist du,
Ewiger, unser Gott, König der Welt, Schöpfer der Erdfrucht.“ Bevor man in einen
Apfel beißt, sagt man: „Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt,
Schöpfer der Baumfrucht.“
Matvey
Kreymerman von der jüdischen Synagogengemeinde Düsseldorf erklärt:
O-Ton:
„Im Prinzip sagen alle dasselbe aus: dass Gott halt derjenige ist, der diese
Sache erschaffen hat beziehungsweise der die Möglichkeit dazu erschaffen hat,
dass sowas zum Beispiel wachsen kann.“
Autorin: Ich finde das
spannend. Das bedeutet, so hoffe ich, dass ich mit einem kleinen Gebet, das
ganze Leben viel bewusster wahrnehmen könnte. Mitten im Alltag innehalten und
Gott danken, dass die Sonne scheint oder dass ich in einen Apfel beißen kann,
dass kommt mir gut vor. Und dann erinnere ich mich, dass eine Freundin aus dem
Studium immer wenn’s 12 Uhr schlug, leise betete. Manchmal hörte sie mitten im
Satz auf zu sprechen und betete. Das fanden die meisten von uns etwas ulkig.
Aber jetzt versteh‘ ich’s: Gott wahrnehmen und dankbar sein, für seine
Schöpfung und mein Leben; das steckt dahinter.
Wie
wunderbar!
Dass Sie heute irgendwann einmal sagen: Gelobt
sei Gott, dass wünscht Ihnen Ihre Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel aus Odenthal.
Redaktion: Landespfarrerin
Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/56069_WDR3520210826Riedel.mp3