Endlich wieder Trödelmarkt.
Lange hat’s gedauert. Aber jetzt schlendere ich zwischen den Marktständen hin
und her. Ich suche nichts Bestimmtes. Einfach schön, zu sehen, was es so alles
gibt. Ich finde ein altes Buch in leuchtend rotem Einband. „Das neue Universum“.
Steht da, eingeprägt in goldenen Buchstaben. Ich schlage es auf: Ein Jugendbuch
aus den Fünfzigern. Begeistert preist es die unbegrenzten Möglichkeiten moderner
Technik. In großen, bunten Bildern sieht man glückliche Menschen, die in
gigantischen Wohnblocks leben. Zwischen ihnen fahren gläserne Bahnen auf hohen
Stelzen hin und her. Und alles ist atombetrieben, vom Auto bis zum Kühlschrank.
Das alles soll bis zum Jahr 2000 Wirklichkeit werden. Steht da. Ich muss schmunzeln.
Die Zukunft von damals ist längst Vergangenheit. Und natürlich wissen wir es
heute besser: Menschen, die in riesigen Häuserblocks wohnen, sind darüber in
der Regel nicht besonders glücklich. Und nach Tschernobyl und Fukushima ist
Atomkraft für uns heute eher Schrecken als Segen. Während ich so blättere,
frage ich mich: Über welche unserer Zukunftsvisionen werden wohl die Menschen
in 70 Jahren schmunzeln? Ich weiß es nicht. Aber ich bin sicher: Sie werden es
tun. Man muss sich wohl eingestehen: Eigentlich haben wir keine Ahnung, ob die
kleinen und großen Entscheidungen, die wir so täglich treffen, letztlich
wirklich richtig sind. Oder ob es ganz anders nicht vielleicht doch viel besser
wäre. In der Bibel klingt das so: „Verlass dich auf den HERRN von ganzem
Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand.“ (Sprüche 3,5-6) Mit
anderen Worten: Ein gesundes Misstrauen sich selbst gegenüber schadet nicht. Es
ist nicht gesagt, dass die Lösung, die mir gerade so einleuchtend erscheint,
automatisch auch die beste ist. Und doch müssen wir entscheiden. Täglich.
Entscheidungen, die uns retten können oder alles kaputtmachen. Wichtige
Grundsatzentscheidungen, über Pandemie oder Klimawandel. Oder kleine, private,
alltägliche Fragen. Wir müssen entscheiden. Und wissen es doch aber einfach
nicht genau. „Verlass dich auf den Herrn…“ Wenn man es schon nicht genau weiß,
wäre es wohl gut, Prüfsteine zu haben, Grundsätze. Und seine Entscheidungen
daran immer wieder zu prüfen. Vielleicht so etwas wie: Bringt dir das, was du
dir da ausgedacht hast, Frieden? Macht es die Welt glücklicher? Oder nur dich
selbst? Ist es gerecht? Oder doch eher einfach lukrativ? Nicht zu sehr den
eigenen Meinungen trauen. Sich selber prüfen. Bestimmt keine schlechte Idee. Dass
in 70 Jahren jemand über meine Entscheidungen schmunzelt, kann ich damit nicht
verhindern. Bestimmt aber die Folgen meiner Fehler abmildern. Und das wäre ja
schon mal was.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
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