Leicht-Sinn

Kirche in WDR3 | 10.08.2021 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen.

Ich

stehe am Rand des Sprungbretts. Draußen regnet es in Strömen. Hier drin im

Hallenbad aber ist es angenehm warm!

Doch

da oben auf dem Sprungturm bekomme ich plötzlich eine Gänsehaut. Ich fange

leicht an zu zittern und ein flaues Gefühl breitet sich in der Magengegend aus.

„Irgendwie hatte ich mir das einfacher vorgestellt.“, denke ich mir. Morgens

noch habe ich hellwach im Bett gelegen und konnte an nichts anderes denken.

„Heute soll der Tag sein!“, entschied ich. Meine Aufgabe für diesen Tag: Ein

Kopfsprung vom Drei-Meter-Brett. „Vielleicht ist diese Idee doch ein bisschen

leichtsinnig gewesen“, denke ich mir jetzt. Aber zu spät. Jetzt stehe ich hier

am Rand des Drei-Meter-Bretts. Meine Zehen ragen gerade so über den Rand hinaus und ich kann nichts anderes

denken als: „Was mache ich hier eigentlich? Wem will ich denn etwas beweisen?“

Die anderen hinter mir auf dem Sprungturm fangen schon an zu drängeln. Ich

lasse einen nach dem anderen vor …

Leichtsinn?!

Manchmal frage ich mich, wo er geblieben ist. Dieser leichte Sinn, mit dem ich der

Angst den Nacken kraule; der Leichtsinn, der mich alles in Frage stellen lässt.

Ein Leichtsinn, bei dem Verstand und Vernunft vehement „Nein!“ rufen. Ein

Leichtsinn, der mich mutig Neues wagen lässt.

Heute

gehören diese leichtsinnigen Momente der Vergangenheit an. Schade. Denn ich

vermisse sie, die Momente des leichten Sinns. Natürlich liegen mittlerweile

andere Herausforderungen und Aufgaben vor mir. Entscheidungen, die man nicht

mehr so leichtsinnig trifft.

Aber

wenn ich ehrlich zu mir bin, dann weiß ich: Manchmal fehlt mir auch der Mut, einfach

mal was Neues zu wagen. Sorgenvoll schaue ich erst auf die Verantwortung. Und

zögere. Und verpasse dadurch vielleicht sogar gute Gelegenheiten und Chancen.

Ich

frage mich: Waren die Jünger Jesu nicht auch ein bisschen leichtsinnig, als sie

ihre Familie und ihre Arbeit verlassen haben und Jesus gefolgt sind? Voller

Vertrauen, dass dieser Weg der richtige ist. Oder der Vater von dem in der

Bibel erzählt wird. Er zahlt seinem Sohn sein Erbe aus, obwohl er genau weiß,

dass der das verprassen wird. Ja, man könnte hier Leichtsinn unterstellen, wäre

da nicht noch mehr: Mut, den Sohn loszulassen; Neugier, Vertrauen, dass es am

Ende zu etwas gut ist. Mit Mut, Neugier, Vertrauen wird der Leichtsinn nicht zu

einer bloßen Übersprungshandlung. Ich versuche mir also ein wenig

Leichtsinnigkeit zurückzuholen.

Denn

für mich hat sich gezeigt: Dieser vertrauensvolle Leichtsinn hat mir geholfen, so

manchen Sprung zu wagen. Diese Geschichte von meiner spontanen „Morgenidee vom

Kopfsprung“ erinnert mich daran: Ich darf leichten Sinns sein. Im Vertrauen

darauf, dass das schon andere geschafft haben, dass ich sportlich genug bin und

dass Gott am Beckenrand steht und mir zusagt: „Fürchte dich nicht, denn ich bin

bei dir.“ (Die Bibel, Jeremia 4,8)

Es

grüßt Sie Pfarrerin Veronika Grüber aus Bad Salzuflen.

Redaktion:

Landespfarrerin

Petra Schulze

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  • 10.8.2021
  • Veronika Grüber
  • © CCO Pixabay
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