George
ist ein Goldfisch. Und weltberühmt. Zeitungen berichten über ihn, Fernsehen,
Radio. Von Australien bis Europa verfolgen Menschen seine Geschichte: George
hat Krebs. Ein großer Tumor. Kaum eine Überlebenschance. Sein Besitzer hält es
nicht aus: Er packt den kleinen Fisch in eine Tüte und bringt ihn in eine
Tierklinik. Dort versucht man alles, um sein Leben zu retten. Es ist
kompliziert: Das Narkosemittel in dem großen Eimer ganz genau zu dosieren. Den kleinen
Patienten die ganze Zeit über Schläuche mit Frischwasser zu versorgen. Die
chirurgische Präzision, mit der gearbeitet werden muss. George wiegt gerade mal
80 Gramm! Aber alles geht gut: Der Tumor wird entfernt. Happy End für George.
Ich lese das und denke: „Schön für George!“, aber ein bisschen verrückt ist es
auch. So viel Aufwand für einen Allerwelts-Goldfisch, den man für 2,50 Euro
auch neu kaufen kann. Wenn man es mal nüchtern betrachtet. Und: So haben wir
das ja gelernt. Wir rechnen aus: Was kostet das? Wie ist der Aufwand? Und was
habe ich am Ende davon? Wir rechnen so, wenn die Waschmaschine den Geist
aufgibt. Wenn das Auto zum dritten Mal im Jahr in die Werkstatt muss.
Wir
rechnen so aber auch, wenn es um Menschen geht: Was kostet ein Platz in der
Drogentherapie? Ein Platz in einem Asylantenheim? Kann unser Land sich das
leisten? Verliere ich Geld, wenn ich nicht an das reiche kinderlose Pärchen
vermiete, sondern an eine kinderreiche Familie? Rechnet sich das?
George hat
Glück. Sein Besitzer rechnet nicht. Er weiß: Für 2,50 Euro bekommt er einen
neuen Goldfisch. Aber eben keinen neuen George. Und auf den will er nicht
verzichten. Weil er ihm irgendwie ans Herz gewachsen ist. Der Besitzer von
George erinnert mich an einen Hirten, von dem Jesus einmal erzählt: Der hat
hundert Schafe und verliert eines davon. Und er tut alles, um das eine,
verloren gegangene Schaf wiederzubekommen. Ohne Wertermittlung und
Kosten-Nutzen-Rechnung. Weil das Schaf ihm wichtig ist.
Letztlich ist es wohl
so: Was etwas wirklich wert ist, bestimmt keine offizielle Preisliste. Wertvoll
ist, was in meinem Herzen ist. Wenn mir etwas egal ist, ist jeder Aufwand zu
hoch. Aber wenn ich etwas liebe, bin ich bereit, fast alles dafür zu geben. Ich
frage mich nur: Wenn ich über einen Menschen sage: „Dem zu helfen rechnet sich
nicht.“, sagt das eigentlich etwas aus über meinen wirtschaftlichen Scharfsinn?
Oder liebe ich einfach nicht genug? Wertvoll ist, was in meinem Herzen ist. Ein
Glück für George, dass sein Besitzer das ebenso sieht. Es rettet ihm das Leben.
Quelle:
(www.sueddeutsche.de/panorama/australien-aerzte-retten-goldfisch-georges-leben-1.2131989)
Redaktion: Pastorin Sabine
Steinwender-Schnitzius
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