George

Kirche in WDR2 | 06.09.2021 | 00:00 Uhr

George

ist ein Goldfisch. Und weltberühmt. Zeitungen berichten über ihn, Fernsehen,

Radio. Von Australien bis Europa verfolgen Menschen seine Geschichte: George

hat Krebs. Ein großer Tumor. Kaum eine Überlebenschance. Sein Besitzer hält es

nicht aus: Er packt den kleinen Fisch in eine Tüte und bringt ihn in eine

Tierklinik. Dort versucht man alles, um sein Leben zu retten. Es ist

kompliziert: Das Narkosemittel in dem großen Eimer ganz genau zu dosieren. Den kleinen

Patienten die ganze Zeit über Schläuche mit Frischwasser zu versorgen. Die

chirurgische Präzision, mit der gearbeitet werden muss. George wiegt gerade mal

80 Gramm! Aber alles geht gut: Der Tumor wird entfernt. Happy End für George.

Ich lese das und denke: „Schön für George!“, aber ein bisschen verrückt ist es

auch. So viel Aufwand für einen Allerwelts-Goldfisch, den man für 2,50 Euro

auch neu kaufen kann. Wenn man es mal nüchtern betrachtet. Und: So haben wir

das ja gelernt. Wir rechnen aus: Was kostet das? Wie ist der Aufwand? Und was

habe ich am Ende davon? Wir rechnen so, wenn die Waschmaschine den Geist

aufgibt. Wenn das Auto zum dritten Mal im Jahr in die Werkstatt muss.

Wir

rechnen so aber auch, wenn es um Menschen geht: Was kostet ein Platz in der

Drogentherapie? Ein Platz in einem Asylantenheim? Kann unser Land sich das

leisten? Verliere ich Geld, wenn ich nicht an das reiche kinderlose Pärchen

vermiete, sondern an eine kinderreiche Familie? Rechnet sich das?

George hat

Glück. Sein Besitzer rechnet nicht. Er weiß: Für 2,50 Euro bekommt er einen

neuen Goldfisch. Aber eben keinen neuen George. Und auf den will er nicht

verzichten. Weil er ihm irgendwie ans Herz gewachsen ist. Der Besitzer von

George erinnert mich an einen Hirten, von dem Jesus einmal erzählt: Der hat

hundert Schafe und verliert eines davon. Und er tut alles, um das eine,

verloren gegangene Schaf wiederzubekommen. Ohne Wertermittlung und

Kosten-Nutzen-Rechnung. Weil das Schaf ihm wichtig ist.

Letztlich ist es wohl

so: Was etwas wirklich wert ist, bestimmt keine offizielle Preisliste. Wertvoll

ist, was in meinem Herzen ist. Wenn mir etwas egal ist, ist jeder Aufwand zu

hoch. Aber wenn ich etwas liebe, bin ich bereit, fast alles dafür zu geben. Ich

frage mich nur: Wenn ich über einen Menschen sage: „Dem zu helfen rechnet sich

nicht.“, sagt das eigentlich etwas aus über meinen wirtschaftlichen Scharfsinn?

Oder liebe ich einfach nicht genug? Wertvoll ist, was in meinem Herzen ist. Ein

Glück für George, dass sein Besitzer das ebenso sieht. Es rettet ihm das Leben.

Quelle:

(www.sueddeutsche.de/panorama/australien-aerzte-retten-goldfisch-georges-leben-1.2131989)

Redaktion: Pastorin Sabine

Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/56176_WDR220210906Schroedter.mp3

  • 6.9.2021
  • Thomas Schrödter
  • © CCO Pixabay
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