Einsam sein

Sonntagskirche | 24.07.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen,

„Der Sonntag ist für mich der schlimmste Tag in der Woche“, klagt

Susanne, eine gute Freundin von mir. „Die meisten sind dann mit ihrer Familie

oder ihren Partnern zusammen. Man lädt mich dann auch nicht ein, weil sie

lieber miteinander etwas unternehmen möchten. Oder sie laden andere Paare oder

Familien ein“. Und traurig fügt sie hinzu: „Ich fühle mich dann besonders

einsam und habe auch keine Lust, alleine durch die Gegend zu laufen.“ Wie

Susanne geht es sehr vielen und nicht nur hier bei uns im Land.

So verfolgt der Japaner Yuichi Ishii eine ungewöhnliche Geschäftsidee: Seine

Agentur „Family Romance“ bietet Schauspieler als „Lückenfüller“ für soziale

Situationen an. Wer keine Freunde, Familienangehörige oder keinen Partner hat,

kann sich über die Agentur „menschlichen Ersatz“ mieten: So lächeln zum

Beispiel Statisten auf einer Hochzeit oder trauern scheinbare

Familienmitglieder auf Beerdigungen. Und ein Anbieter von Single-Hochzeiten

macht sogar den Traum in Weiß wahr. Ebenso können „beste Freundinnen“ gemietet

werden, die mit einem das eigene Hobby teilen und zum Geburtstag gratulieren.

Dass sich mit der Einsamkeit gutes Geld verdienen lässt, entdeckte auch Japans

Post: Gegen Gebühr lässt sie die Zusteller bei alleinlebenden Rentnern

anklingeln. Der Postbote erkundigt sich nach der Gesundheit und wünscht einen

schönen Tag. Dies alles in einem Land, in dem 15 Prozent der Menschen angeben,

außerhalb ihrer Familie keinen sozialen Austausch zu haben. Gerade auch viele

ältere Japanerinnen und Japaner beklagen, in einem Zeitraum von zwei Wochen

keine einzige Konversation zu führen.

Und auch hier bei uns in Deutschland ist Einsamkeit ein elementares Problem

unserer Zeit. Schon vor der Corona-Pandemie ist die Zahl der Menschen, die sich

einsam fühlen, stetig gestiegen. Und dies beobachte ich auch in meiner

christlichen Gemeinde vor Ort. Seit Jahren gibt es deshalb bei uns so genannte

Besuchsdienste. Man kann einen Termin vereinbaren und wir kommen vorbei. Ebenso

laden wir zu den Gottesdiensten am Sonntag ein. Beim anschließenden Kirchencafé

kommt man miteinander ins Gespräch. Oder man verabredet sich zu gemeinsamen

Unternehmungen. Darüber hinaus gibt es verschiedenste Angebote in der Gemeinde:

da wird gebastelt und gekocht, gewerkelt und gesungen, über die biblischen

Texte gesprochen und diskutiert, getrauert und gelacht, geschauspielert und

getanzt, gebetet und gehofft und und und. Die christliche Gemeinschaft folgt da

ganz einem frühen christlichen Text aus der Bibel, da schreibt eine Gemeinde: „Wenn

wir aber im Licht leben, wie Gott selbst im Licht ist, haben wir Gemeinschaft

miteinander“ (1. Johannes

1,7, BasisBibel). Und an anderer Stelle heißt es: „Gott gibt den Einsamen ein

Zuhause“ (Psalm 68,7 BasisBibel). Für mich ist auch heute am Sonntag der

Gottesdienst solch ein Stück vertrautes Zuhause. Und ich wünsche mir dann auch

wieder den Blick für diejenigen, die sich über ein persönliches Gespräch mit

mir freuen.

Vielleicht ergibt sich dabei auch eine Verabredung, was gemeinsam zu

unternehmen.

Haben Sie vielleicht auch Lust bekommen, mal mit dabei zu sein?

Quelle: FOCUS-Nachrichtenmagazin

47/2014, S. 51.

Redaktion:

Landespfarrerin Petra Schulze

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  • 24.7.2022
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