Niemand nimmt sich gern das Leben

Kirche in WDR3 | 10.09.2021 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen,

sie

ruft bei ihrer Reinigungsfrau an. Ein Mann geht an den Apparat. „Ja?“ „Guten

Tag, Ihre Frau putzt bei uns, sie war heute Morgen nicht da. Kann ich sie bitte

mal sprechen?“ Schweigen. Dann: „Das geht leider nicht, sie ist tot.“ „Wie

tot?“ „Tabletten,“ kommt von der anderen Seite der Leitung und dann nur noch

„Auf Wiederhören.“ Später erfährt sie, dass die Frau in Polen beerdigt wurde

und die Kinder jetzt dort bei den Großeltern sind. Das beschäftigt sie lange.

Hätte sie erkennen müssen, dass es der jungen Frau nicht gut ging? Ja, manchmal

schien sie überfordert zu sein mit Kindern, Haushalt und der Arbeit und wirkte

psychisch etwas angeschlagen. Aber wer hätte denn gedacht, dass sie Tabletten

nimmt und womöglich absichtlich eine Überdosis? So etwas kommt häufiger vor,

als man denkt. Rund 10 000 Menschen nehmen sich jedes Jahr in Deutschland das

Leben. Jeder, jede hinterlässt bis zu sieben Angehörige. Arbeitskolleginnen,

Vereinsfreunde, Nachbarinnen und Mitschüler noch nicht mitgerechnet. Leider

alltäglich. Auch wenn man kaum darüber spricht.

Um

das Thema aus der Tabuzone zu holen ist jedes Jahr am 10. September

Weltsuizidpräventionstag. Selbsthilfegruppen, Telefonseelsorge, Psychosoziale

Dienste, psychiatrische Fachkliniken u.a. machen durch Vorträge, Interviews in

der Presse und Stände in den Fußgängerzonen auf ihre Hilfsangebote aufmerksam.

Für Menschen mit psychischen Problemen und Suizidgedanken, für deren Angehörige

und für Hinterbliebene. Und seit einigen Jahren engagieren sich auch die

Kirchen mit Gottesdiensten und Fürbitten. Der Bibel ist nichts Menschliches

fremd. Also berichtet sie auch von Menschen mit Depressionen, die ihres Lebens

überdrüssig sind. Zum Beispiel von Elia. Er liegt unter einem Ginsterstrauch

und wünscht sich sehnlich, zu sterben. Oder von Hiob. Er hadert mit seinem Schicksal

so sehr, dass er bedauert, jemals geboren worden zu sein. Ihm ist ein ganzes

Buch in der Bibel gewidmet. Und sie berichtet von Suiziden. Zum Beispiel von

König Saul oder von Judas, nachdem er Jesus verraten hat. Und an keiner Stelle

werden sie verurteilt.

Ja, als

evangelische Pfarrerin glaube ich: Unser Leben ist uns von Gott geschenkt

worden. Und ein Geschenk wirft man nicht einfach weg. Aber einfach tut man das

eh nicht. Niemand nimmt sich gern das Leben. So helfen Christen Menschen in

Not, ihr Leben zu bewältigen, wo immer es geht. Und wenn sie ihm gleichwohl ein

Ende setzen, dann lassen wir sie nicht fallen, sondern halten die Not mit aus

bis zum Ende. Und wir sind bei den Angehörigen. Denn Gottes Liebe ist stärker

als jede Not und Verzweiflung, stärker als Schmerzen und Trauer, sogar stärker

als jeder Tod. Auch als ein Suizid.

Wer

selbst von einem Suizid betroffen ist und wer Suizidgedanken hat, muss nicht

alleine damit bleiben. Es gibt die genannten Anlaufstellen. Die

Telefonseelsorge wurde vor etwa 60 Jahren eigens für die Suizidvorsorge

gegründet. Rufen Sie an – was immer Sie quält, hier ist es gut aufgehoben.

Redaktion: Landespfarrerin

Petra Schulze

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  • 10.9.2021
  • Dr. Barbara Schwahn
  • © CCO Pixabay
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