Liebe

Kirche in WDR2 | 13.07.2022 | 00:00 Uhr

Hans-Peter

habe ich im Krankenaus kennengelernt. Ein rundlicher, sympathischer Typ. Er hat

dieses verschmitzte Lächeln, seine Augen funkeln, wenn er erzählt. Hans-Peter ist

Ende vierzig und schwer krank. Die Diagnose erwischt ihn ein halbes Jahr nach

der Hochzeit. Ich besuche ihn zuhause. Das ist hart. Aber auch intensiv. Ich

kann es nur schwer in Worte fassen. Schon rein äußerlich ist alles anders.

In

den letzten Wochen hat er sehr abgenommen. Die Krankheit setzt sich durch. Aber

er hadert nicht mehr; ist keineswegs verzweifelt. So als habe er seinen Frieden

gemacht mit dem Weg, der jetzt vor ihm liegt. Die ganze Atmosphäre hat sich

verändert. Da hat sich etwas gelöst.

An

dem Nachmittag sprechen wir über die Liebe. Glaube ich jedenfalls. Naja,

eigentlich reden wir über die Trauerfeier. „Das wird mein Tag“, sagt Hans-Peter

und hat wieder dieses besondere, leicht verschmitzte Lächeln. Ein bisschen

Galgenhumor ist diesmal dabei. Du hoffst die ganze Zeit, dass sich etwas

verändert. Dass du irgendeine Zukunft hast. Einen Plan machen kannst, ein Ziel

hast. Aber wozu lebt man noch, wenn man schon weiß, was passieren wird? Hans-Peter

und Sibylle: Das letzte Ziel, was den beiden bleibt, ist die Trauerfeier. Und

die planen sie jetzt so intensiv wie vor Kurzem noch ihre Hochzeit. Das ist

wirklich unglaublich. „Wir brauchen jetzt sowas wie einen Deading-Planer“, sagt

Hans-Peter irgendwann und lacht sich schlapp. Ich habe schon einen Entwurf für

die Karte gesehen: „Weint Eure Tränen – feiert Euer Leben!“

Sibylle

ist wohl erst zurückhaltend gewesen, aber jetzt ist sie voll dabei. Die beiden

sind sich so nah. Einmal ist Hans-Peter eingeschlafen, einfach so. Da habe ich

eine Weile mit Sibylle gesprochen. Sie war ganz offen zu mir, von der ersten

Sekunde an. „Es ist die tiefste Erfahrung meines Lebens“, sagt sie. „Voller

Liebe und voller Schmerz. Manchmal muss ich mit Hans-Peter weinen, dann wieder

lauthals lachen, dann schweigen“. Wie gesagt: Ich glaube, wir haben über die

Liebe gesprochen.

Plötzlich

wird mir wieder klar, was ich an meiner Frau habe. Es wirkt so

selbstverständlich. Aber das ist es nicht. Es ist Liebe. Hans-Peter und Sibylle

erleben alles so konzentriert in wenigen Monaten, und bei uns sind es eben

schon viele Jahre. Aber am Ende ist es Liebe.

„Feiert euer Leben!“ Keine schlechte Idee

.

Redaktion: Pastorin

Sabine Steinwender-Schnitzius

  • 13.7.2022
  • Titus Reinmuth
  • (Foto: Pixabay)