Wenn ich abends völlig kaputt
nach Hause komme, gucke ich TikTok. Diese kleinen, kurzen Videos, in denen
Menschen ihre Tiere, Kinder, Hobbies und Talente zeigen. Wenn es mir nicht
gefällt, wie manche da rumtanzen, ihre Partner reinlegen, fressen oder
abnehmen, wische ich einfach weiter, bis ein Hundevideo kommt. Obwohl ich
selber einen tollen Hund habe, kann ich davon nicht genug bekommen. Ich liebe
es, wenn da ein Hund auf mich herabblickt und auf der Tonspur
Telefonfreizeichen sind. Dazu dann noch ein Text, meist auf Englisch: Rufe
Frauchen an, um zu sagen, dass sie mich mit Herrchen hier zuhause vergessen
hat. Und mein Herz lächelt. Ach, TikTok ist für mich Ablenken, Abschalten,
Aufatmen. Im nächsten Video liegt ein fauler, dreckiger Golden Retriever in
einer Erdkuhle, guckt mich herausfordernd und glücklich an und eine Stimme
spricht im Hintergrund: „Ich habe beschlossen, mich nicht länger zu verbessern.
Ich bin ein schönes Desaster und akzeptiere mich als solches. Segne diesen
Schlamassel, denn ich habe es satt, gestresst zu sein. Ich gucke das TikTok
zweimal. Und noch viel mehr faule, selbstzufriedene, dreckige, liebenswerte
Hunde lassen mich wissen, dass sie eine bewundernswerte Katastrophe sind.
Ich kann nur zustimmen und
sie ebenfalls als solche akzeptieren. Die Worte gehen mir nach, auf Englisch
reimt es sich auch noch. Bless this mess because I am done being stressed.
Segne dieses Durcheinander, diese Schweinerei, diesen Dreck, denn ich hab die
Schnauze voll vom Stress, alles immer noch optimieren zu müssen, vor allem
mich. Mein Herz schreit Ja! Ja! Ja genau und Amen. Genau diese Haltung möchte
ich auch öfter haben. Gegenüber anderen und auch mir selbst. Ich bin eine
Katastrophe für andere und mich – aber dabei auch wirklich liebenswert – und
sogar wunderschön.
Das müssen wir jetzt mal alle
miteinander akzeptieren – ich nehme selber ein TikTok mit dem Satz auf, keine
Ahnung, ob es irgendjemand sieht, ist mir auch egal, nur mir wird dadurch
nochmal klar: Durch Stress werde ich noch mehr zum Desaster – jedoch nicht
schöner oder sogar liebenswerter. Ich wünsche mir, dass mein Durcheinander,
mein Dreck und meine Not gesegnet sind – denn ich spüre es ganz genau: Ich
werde mich nie dahin optimieren können, wo andere und ich mich gerne sähen. Ich
will es auch nicht mehr. Stattdessen: Hier und da mehr von dem, was mir guttut.
Hier und da noch viel mehr von dem, was Anderen guttut. Denn: Mir und Anderen
geht es besser, wenn ich mich so akzeptiere, wie ich bin: Eine liebenswerte
Frau in ihrem täglichen Schlamassel.
Redaktion: Pastorin Sabine
Steinwender-Schnitzius
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