Hanns Guck-in-die-Luft

Kirche in WDR3 | 14.08.2021 | 00:00 Uhr

Autorin: Guten Morgen!

Wenn der Hanns zur Schule

ging,

stets sein Blick am Himmel

hing.

Nach den Dächern, Wolken,

Schwalben

schaut er aufwärts

allenthalben.

Vor die eignen Füße dicht,

ja, da sah der Bursche

nicht…….. (Heinrich Hoffmann) (1)

Und dann kommt er – aus

heiterem Himmel -: Der Schritt ins Nichts!

Vor allem dieser eine Schritt

hat mich immer fasziniert.

Das Gesicht zum Himmel

gewendet und dann: mit dem rechten Bein ausgeholt – und mit Schwung nach vorne

gezogen… und dann werde ich Zeuge dieses dramatischen Schrittes ins Nichts.

Die Geschichte von Hanns ist aufgeschrieben und gezeichnet in dem alten Kinder-oder

besser: Erziehungsbuch – „Der Struwwelpeter“.

Da, wo dieses Nichts ist, in

das Hanns seinen Fuß setzt, da hat der Künstler einfach keinen Boden

eingezeichnet. Sondern stattdessen einen drohenden Abgrund.

Unten warten Wasser und

kleine Fische mit großen Augen. Sie warten darauf, was gleich passieren wird.

Denjenigen unter uns, die

noch mit dem Struwwelpeter aufgewachsen sind, ist diese Szene wahrscheinlich

als bitteres Lehrstück in Erinnerung.

Bloß nicht mit den Gedanken

abschweifen, liebes Kind, das ist gefährlich! Nicht vor dich hinträumen. Bitte

den Blick immer auf den Weg lenken, der direkt vor dir liegt! Sieh nur, welch

grausiges Schicksal der arme Hanns-Guck-in-die-Luft erleiden muss!

Übrigens: Es gibt sogar eine

moderne Version, da guckt der Hanns nicht in die Wolken, sondern auf sein Smartphone.

Aber das Schicksal ist das gleiche. Also „In den Himmel gucken" oder ins

Internet und dabei den Blick verlieren für das was vor dir liegt, das ist auf

jeden Fall gefährlich!!

Warum erzähle ich diese alte

Geschichte?

Ich erzähle sie, weil ich als

Pfarrerin von kleinen Kindern gefragt werde, wo Gott wohnt und ob ich glaube,

dass es einen Himmel gibt.

Und kleinere Kinder nehmen

an, dass der Himmel oben ist. Also im Prinzip da, wohin der Hanns Guck–in

die-Luft seinen Hals reckt. Vielleicht träumt er ein wenig vor sich hin, hat

Fernweh. Oder sucht er dort oben etwa nach Gott?

Mich hat diese kindliche

Sehnsucht angerührt, die der Hanns Guck-in-die-Luft verkörpert. Wie er da so ganz

vertrauensvoll seinen Weg geht und gleichzeitig nach „mehr" Ausschau hält.

Ausschau nach dem Geheimnis zwischen Himmel und Erde. Irgendwo im Offenen…

Nach den Dächern, Wolken,

Schwalben

schaut er aufwärts allenthalben…

Das möchte ich auch können:

Den Blick einfach mal nach oben richten, losgelöst von meinem nächsten

geplanten Schritt. Innerlich frei werden von dem, was ich sowieso kenne und

gewöhnt bin. Die Phantasie schweifen lassen, nach Gott Ausschau halten, denn:

Es muss im Leben mehr geben. Die Welt braucht Menschen, die über das

hinaussehen, was unseren Alltag und unseren Blick eng macht. Die Visionen

entwickeln.

Und dann denke ich sie mir

aus, die Neuauflage des „Hanns Guck-in-die-Luft", Teil 2, und stellen Sie

sich vor: Diesmal nähme es ein gutes Ende…"

Ich wünsche Ihnen noch einen

guten Morgen, Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln-Frechen

(1) https://internet-maerchen.de/maerchen/guckluft.htm

(letzter Aufruf 17.06.2021)

Redaktion: Landespfarrerin

Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/55835_WDR3520210814Landgrebe.mp3

  • 14.8.2021
  • Nicola Thomas-Landgrebe
  • © CCO Pixabay
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