Autorin: Guten Morgen!
Wenn der Hanns zur Schule
ging,
stets sein Blick am Himmel
hing.
Nach den Dächern, Wolken,
Schwalben
schaut er aufwärts
allenthalben.
Vor die eignen Füße dicht,
ja, da sah der Bursche
nicht…….. (Heinrich Hoffmann) (1)
Und dann kommt er – aus
heiterem Himmel -: Der Schritt ins Nichts!
Vor allem dieser eine Schritt
hat mich immer fasziniert.
Das Gesicht zum Himmel
gewendet und dann: mit dem rechten Bein ausgeholt – und mit Schwung nach vorne
gezogen… und dann werde ich Zeuge dieses dramatischen Schrittes ins Nichts.
Die Geschichte von Hanns ist aufgeschrieben und gezeichnet in dem alten Kinder-oder
besser: Erziehungsbuch – „Der Struwwelpeter“.
Da, wo dieses Nichts ist, in
das Hanns seinen Fuß setzt, da hat der Künstler einfach keinen Boden
eingezeichnet. Sondern stattdessen einen drohenden Abgrund.
Unten warten Wasser und
kleine Fische mit großen Augen. Sie warten darauf, was gleich passieren wird.
Denjenigen unter uns, die
noch mit dem Struwwelpeter aufgewachsen sind, ist diese Szene wahrscheinlich
als bitteres Lehrstück in Erinnerung.
Bloß nicht mit den Gedanken
abschweifen, liebes Kind, das ist gefährlich! Nicht vor dich hinträumen. Bitte
den Blick immer auf den Weg lenken, der direkt vor dir liegt! Sieh nur, welch
grausiges Schicksal der arme Hanns-Guck-in-die-Luft erleiden muss!
Übrigens: Es gibt sogar eine
moderne Version, da guckt der Hanns nicht in die Wolken, sondern auf sein Smartphone.
Aber das Schicksal ist das gleiche. Also „In den Himmel gucken" oder ins
Internet und dabei den Blick verlieren für das was vor dir liegt, das ist auf
jeden Fall gefährlich!!
Warum erzähle ich diese alte
Geschichte?
Ich erzähle sie, weil ich als
Pfarrerin von kleinen Kindern gefragt werde, wo Gott wohnt und ob ich glaube,
dass es einen Himmel gibt.
Und kleinere Kinder nehmen
an, dass der Himmel oben ist. Also im Prinzip da, wohin der Hanns Guck–in
die-Luft seinen Hals reckt. Vielleicht träumt er ein wenig vor sich hin, hat
Fernweh. Oder sucht er dort oben etwa nach Gott?
Mich hat diese kindliche
Sehnsucht angerührt, die der Hanns Guck-in-die-Luft verkörpert. Wie er da so ganz
vertrauensvoll seinen Weg geht und gleichzeitig nach „mehr" Ausschau hält.
Ausschau nach dem Geheimnis zwischen Himmel und Erde. Irgendwo im Offenen…
Nach den Dächern, Wolken,
Schwalben
schaut er aufwärts allenthalben…
Das möchte ich auch können:
Den Blick einfach mal nach oben richten, losgelöst von meinem nächsten
geplanten Schritt. Innerlich frei werden von dem, was ich sowieso kenne und
gewöhnt bin. Die Phantasie schweifen lassen, nach Gott Ausschau halten, denn:
Es muss im Leben mehr geben. Die Welt braucht Menschen, die über das
hinaussehen, was unseren Alltag und unseren Blick eng macht. Die Visionen
entwickeln.
Und dann denke ich sie mir
aus, die Neuauflage des „Hanns Guck-in-die-Luft", Teil 2, und stellen Sie
sich vor: Diesmal nähme es ein gutes Ende…"
Ich wünsche Ihnen noch einen
guten Morgen, Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln-Frechen
(1) https://internet-maerchen.de/maerchen/guckluft.htm
(letzter Aufruf 17.06.2021)
Redaktion: Landespfarrerin
Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/55835_WDR3520210814Landgrebe.mp3