Ich singe dir mit Herz und Mund (eg 324)

Choralandacht | 28.08.2021 | 00:00 Uhr

Musik 1: Track 3, Ich singe dir mit Herz und

Mund (eg 324) von CD: Voller Freud ohne Zeit,

Interpreten: Movimento, Leitung: Christoph Lehmann, Komponist: Johann Crüger,

Texter: Paul Gerhardt, LC:16005-edition chrismon, Best.-Nr. Tritonus 5.035, EAN: 9783938704110.

Overvoice-Sprecher:

Strophe 1

Ich singe dir mit Herz und Mund / Herr, meines

Herzens Lust / ich sing und mach auf Erden kund/ was mir von dir bewusst.

Autorin: Eine

Einladung flattert auf meinen Schreibtisch. Die neue Kreiskantorin wird

feierlich in ihr Amt eingeführt. „Kantorin“ ist der Titel für eine

Kirchenmusikerin. Er leitet sich vom lateinischen cantare ab – singen. Singen

ist die Basis aller Kirchenmusik – und das darf die neue Kollegin jetzt von

Amts wegen tun!

Ich freue ich mich auf diesen Gottesdienst,

denn ich weiß: mich erwartet ein musikalisches Fest. Gespannt betrete ich die

Kirche. Rappelvoll ist es, sogar die Seitenschiffe und die Emporen sind besetzt

mit Menschen, die musizieren werden. Alle Musikgruppen der Gemeinde sind

beteiligt, von den Kleinsten bis zu den Erwachsenen, Vokalchöre, Posaunenchor

und Kirchenband, und natürlich gibt es auch brausende Orgelklänge. Das Ganze,

Sie ahnen es, war noch vor Corona, vor Abstand und Masken in den Kirchenbänken.

Musik 2: Track 16, Nun danket all und bringet

Ehr (eg 322) von CD: Jan Janca, Organ and Choir Music, Interpret: Ruben

Sturm, Orgel, Komponist: Jan Janca

Autorin: „Singet und spielet dem HERRN

in eurem Herzen.“ Zur feierlichen Einführung der neuen Kantorin wird

dieser Bibelvers aus dem Epheserbrief verlesen, ein äußerst beliebter Text zu

kirchenmusikalischen Anlässen.

„Singet und spielet dem HERRN in eurem

Herzen.“ Ich finde, dieser Spruch passt nicht so richtig zum Anlass. Pauken

und Trompeten, höchste Töne und tiefste Bässe, der gesamte Kirchenraum füllt

sich mit Klang – und dann sollen wir das nur „in unserem Herzen“ tun? Das ist

mir doch entschieden zu brav und verinnerlicht, sozusagen nur zartrosa, wo ich

kräftige Klangfarben erwarte.

Im Corona-Jahr allerdings habe ich diesen

Bibelvers neu gehört. Oft konnten nur wenige Musikerinnen und Musiker im

Gottesdienst agieren, die Gemeinde durfte zeitweise gar nicht mehr singen.

Kräftig schmettern? Schön wär’s! Aber ich höre das Orgelspiel oder lese den

Liedtext und singe innerlich mit. Und ich bin froh über mein inneres

Musikreservoir, von klein auf gespeist mit tausenden von Tönen und Melodien.

Musik 2: (Orgel)

Autorin: „Singt

dem HERRN in eurem Herzen“ – die englische Bibel übersetzte diesen Vers früher

mit „in your heart“, die neue Übertragung heißt „with your heart“. Das gefällt

mir schon besser, so ist das Herz beim Singen beteiligt. Und nicht umsonst

heißt es im Englischen „by heart“, wenn ich etwas auswendig kann. Gar nicht

schlecht als innere Unterstützung in diesen Zeiten, wenn ich äußerlich besser

schweige, um Ansteckungen verhindern zu helfen.

Außerdem lohnt ein Blick in die

Bibelwissenschaft. Der Vers aus dem Epheserbrief ist nämlich überhaupt nicht

gefühlig gemeint. Schon im Alten Testament steht das Herz für den Verstand, für

Erkenntnisfähigkeit und kluge Entscheidungen. In diesem Sinne wird das

Herz-Bild auch im Brief an die Menschen in Ephesus verwendet. Der Vers, der zum

Singen und Spielen auffordert, steht in einer Reihe mit mehreren klaren

Anweisungen. Sie sind drastisch formuliert, offenbar war das nötig. Da heißt es

etwa:

Sprecherin: Und

sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern

lasst euch vom Geist erfüllen.

Autorin: Und dann

folgt der Satz zur Musik:

Sprecherin: Ermuntert

einander in Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singet und spielet

dem HERRN in eurem Herzen.

Autorin: Einander

ermuntern mit Liedern und Musik! Das ist ein dialogisches Geschehen, und darum

geht es: dass wir mit klarem Kopf und wachem Verstand miteinander und

füreinander erzählen, singen und spielen – und sei es auch zeitweise nur in

kleinster Besetzung.

Musik 1: Strophe 2

Overvoice-Sprecher

Ich weiß, dass du der Brunn der Gnad / und ewge Quelle bist / daraus uns

allen früh und spat / viel Heil und Gutes fließt.

Autorin: Uns

gegenseitig ermuntern – kann uns ein altes Lied dabei helfen? Ich höre

genauer hin. Mir gefällt besonders das Gottesbild. Gott ist nicht statisch –

ganz im Gegenteil: alles im Fluss, ständige Erneuerung, eine nie versiegende

Quelle. Gott als Brunnen der Gnaden, der uns gibt, was wir zum Leben brauchen.

Was alles dazu gehört, wird in den nächsten

Strophen aufgezählt. In schlichten Versen, mit einfachen Reimen, so dass schon

Kinder es gut auswendig lernen und singen können – sozusagen „by heart“, wie

von selbst, mit dem Herzen.

Musik 3: Track

18 Ich singe dir mit Herz und Mund (eg 324) von CD: Ich singe dir

mit Herz und Mund, Interpreten: Wilhelmshavener Vokalensemble, Leitung: Ralf

Popken, Komponist: Johann Crüger, Texter: Paul Gerhardt, Label:

Edition Chrismon.

Strophe 4

Overvoice-Sprecher

Wer hat das schöne Himmelszelt / hoch über uns gesetzt? / Wer ist es, der

uns unser Feld / mit Tau und Regen netzt?

Autorin: Fünf Jahre

nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges ist das Lied entstanden, die

Entbehrungen und Schrecken waren noch präsent. Wie eine Beschwörung klingen die

Strophen, vor allem, wenn es um den Frieden geht.

Musik 2: Orgel

Strophe 6

Overvoice-Sprecher:

Wer gibt uns Leben und Geblüt? / Wer

hält mit seiner Hand / den edlen, werten, güldnen Fried / in unserm Vaterland?

Autorin: Der

Dichter Paul Gerhardt kennt nur eine Antwort auf die vielen Fragen: Gott ist

es, Gott allein, niemand kann sich mehr auf weltliche Herrscher verlassen.

Viermal wird Gott angesprochen oder besser angefleht: Mein Gott, du, du – du!

Musik 1: Movimento

Strophe 7

Overvoice-Sprecher:

Ach Herr, mein Gott, das kommt von dir, / du, du musst alles tun, / du

hältst die Wach an unserer Tür / und lässt uns sicher ruhn.

Autorin: Paul

Gerhardt führt das weiter aus. So wird der Text ein großer Lobgesang auf Gottes

Hilfe, die Menschen erfahren haben, als die Welt in Trümmern lag. Die Bilder

sprechen mich noch heute unmittelbar an. Meine Lieblingsstrophe ist die Strophe

11. Nach anderthalb Jahren Corona finde ich diese Worte besonders tröstlich.

Musik 2: Orgel

Strophe 11

Overvoice-Sprecher: Du

zählst, wie oft ein Christe wein / und was sein Kummer sei; / kein Zähr und

Tränlein ist so klein,/ du hebst und legst es bei.

Autorin: Woher

kommt diese Zuversicht? Paul Gerhardt findet sie in der Bibel. Und nun schüttet

er textlich ein Füllhorn aus: In den Psalmen hat er viele Bilder für Gott

entdeckt. Mit diesen Motiven beschreibt er, was Gott für jede und jeden

Einzelnen sein kann.

Musik 1: Movimento,

Instrumental

Strophe 14

Overvoice-Sprecher:

Er ist dein Schatz, dein Erb und Teil, / dein Glanz und Freudenlicht, / dein

Schirm und Schild, dein Hilf und Heil, / schafft Rat und lässt dich

nicht.

Autorin: Am meisten

berührt mich im Moment das Bild von Gott als „Glanz“. Bei einer Freundin ist es

anders. Für sie ist Gott gerade eher der „Schirm“. Das alles lasse ich mir zu

Herzen gehen! Und wieder steht das Herz stellvertretend für den ganzen

Menschen, der Mut fasst und in Bewegung gerät, am besten beim Singen und

Springen:

Musik 1:

Movimento, Instrumental

Strophe 13

Overvoice-Sprecher:

Wohlauf,

mein Herze, sing und spring / und habe guten Mut! / Dein Gott, der Ursprung

aller Ding/ ist selbst und bleibt dein Gut.

Redaktion:

Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

  • 28.8.2021
  • Christa Kirschbaum
  • (Foto: Pixabay)