An den Fußballgott

Kirche in WDR2 | 24.08.2021 | 00:00 Uhr

Lieber Fußballgott,

heute müssen wir mal ein

ernstes Wörtchen miteinander reden.

Wie schaffst du es eigentlich

immer so viele Menschen zu begeistern?

Sie laufen in deine Kirchen,

singen deine Lieder. Sie pilgern an ferne Orte,

sie beten zu dir und wenden

sich an dich, wenn es um das Geschick der Lieblingsmannschaft geht. Du allein

entscheidest über Sieg oder Niederlage, Aufstieg oder Abstieg.

Und auch du, lieber

Fußballgott verlierst Anhänger.

Du hast damit zu kämpfen,

wenn Menschen plötzlich nicht mehr an dich glauben.

Wenn sie sich von dir

abkehren und dein Heiliger Rasen nicht mehr zum Ort der Freude wird.

Und, lieber Fußballgott, was

soll ich sagen? Es fällt mir schwer daran zu glauben, dass du einen

Lieblingsverein hast.

Und es fällt mir schwer zu

glauben, dass du nur die harte Arbeit belohnst.

Sondern ich glaube, genauso

wie der Torwart-Titan Oliver Kahn, dass du für alle Christinnen und Christen da

bist.

Ich denke nicht, dass du eine

Figur bist, ein Neben-Gott, neben dem Gott, an den ich glaube.

Warum dann also dieser Titel:

Fußballgott? Wahrscheinlich ist es so, wie im Christentum auch:

Unerklärliche Dinge

passieren, auch viele schlimme Sachen.

Man sucht verzweifelt nach

Erklärungen. Die Not ist groß.

Und in dieser Not ist es doch

einfacher, dem Fußballgott die Schuld zu geben.

Er hat das Schicksal so

gewendet. Den Ausgang des Spiels hat er so entschieden. Wir konnten gar nicht

anders.

Ein bisschen feige klingt es

schon, da bin ich ehrlich.

Und nicht allzu oft,

rechtfertigen auch wir so unsere Taten.

„Ich konnte nicht anders“

oder „es war so vorherbestimmt“.

Anstatt dafür gerade zu stehen,

dass wir Mist gebaut haben, geben wir jemand anderem die Schuld. Und natürlich

ist es auch einfacher, einem übernatürlichen Wesen die Schuld zu geben, als die

Schuld hier unten auf Erden zu suchen – womöglich bei uns selbst.

Ich denke, dass wir uns als

Kirche eine Scheibe vom Fußball abschneiden können.

Denn wir haben so viel

gemeinsam: Die festen Orte, wo wir uns treffen. Die gleichen Uhrzeiten.

Wiederkehrende Gesänge, das Teilen von Freud und Leid und das gemeinsame Essen.

Manchmal hapert es bei uns ein wenig an der Begeisterung und Freude, das gebe

ich zu, aber daran können wir was ändern.

Denn unsere Gottesbeziehung

ist wie ein Ballspiel und dazu gehören in der Regel mindestens zwei: Einer der

anspielt und einer, der zurückspielt. Und zwar mit vollem Einsatz und großer

Freude.

Redaktion: Pastorin Sabine

Steinwender-Schnitzius

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  • 24.8.2021
  • Laura Kadur
  • © CCO Pixabay
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