Lieber Fußballgott,
heute müssen wir mal ein
ernstes Wörtchen miteinander reden.
Wie schaffst du es eigentlich
immer so viele Menschen zu begeistern?
Sie laufen in deine Kirchen,
singen deine Lieder. Sie pilgern an ferne Orte,
sie beten zu dir und wenden
sich an dich, wenn es um das Geschick der Lieblingsmannschaft geht. Du allein
entscheidest über Sieg oder Niederlage, Aufstieg oder Abstieg.
Und auch du, lieber
Fußballgott verlierst Anhänger.
Du hast damit zu kämpfen,
wenn Menschen plötzlich nicht mehr an dich glauben.
Wenn sie sich von dir
abkehren und dein Heiliger Rasen nicht mehr zum Ort der Freude wird.
Und, lieber Fußballgott, was
soll ich sagen? Es fällt mir schwer daran zu glauben, dass du einen
Lieblingsverein hast.
Und es fällt mir schwer zu
glauben, dass du nur die harte Arbeit belohnst.
Sondern ich glaube, genauso
wie der Torwart-Titan Oliver Kahn, dass du für alle Christinnen und Christen da
bist.
Ich denke nicht, dass du eine
Figur bist, ein Neben-Gott, neben dem Gott, an den ich glaube.
Warum dann also dieser Titel:
Fußballgott? Wahrscheinlich ist es so, wie im Christentum auch:
Unerklärliche Dinge
passieren, auch viele schlimme Sachen.
Man sucht verzweifelt nach
Erklärungen. Die Not ist groß.
Und in dieser Not ist es doch
einfacher, dem Fußballgott die Schuld zu geben.
Er hat das Schicksal so
gewendet. Den Ausgang des Spiels hat er so entschieden. Wir konnten gar nicht
anders.
Ein bisschen feige klingt es
schon, da bin ich ehrlich.
Und nicht allzu oft,
rechtfertigen auch wir so unsere Taten.
„Ich konnte nicht anders“
oder „es war so vorherbestimmt“.
Anstatt dafür gerade zu stehen,
dass wir Mist gebaut haben, geben wir jemand anderem die Schuld. Und natürlich
ist es auch einfacher, einem übernatürlichen Wesen die Schuld zu geben, als die
Schuld hier unten auf Erden zu suchen – womöglich bei uns selbst.
Ich denke, dass wir uns als
Kirche eine Scheibe vom Fußball abschneiden können.
Denn wir haben so viel
gemeinsam: Die festen Orte, wo wir uns treffen. Die gleichen Uhrzeiten.
Wiederkehrende Gesänge, das Teilen von Freud und Leid und das gemeinsame Essen.
Manchmal hapert es bei uns ein wenig an der Begeisterung und Freude, das gebe
ich zu, aber daran können wir was ändern.
Denn unsere Gottesbeziehung
ist wie ein Ballspiel und dazu gehören in der Regel mindestens zwei: Einer der
anspielt und einer, der zurückspielt. Und zwar mit vollem Einsatz und großer
Freude.
Redaktion: Pastorin Sabine
Steinwender-Schnitzius
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