Bewahrung der Schöpfung - und Gottes Geschöpfe

Das geistliche Wort | 03.07.2022 | 00:00 Uhr

Wiederholung vom 25.07.21, WDR 5 – Das Geistliche Wort

Musik 1: C’mon Move, Komposition: Sebastian Studnitzky & Alisa Bergwerk; Album:

KY-Organic; Label: 2017 Contemplate; LC: 28353.

Autor: Haben

Sie einen tierischen Mitbewohner? Wenn ja, dann gehören Sie zu den 35 Millionen

Deutschen mit einem Haustier. Die kleinen oder größeren Wegbegleiter sind so

beliebt wie nie. Allein 2020 sind in fast einer Millionen Haushalten in

Deutschland neue Haustiere eingezogen. In der Pandemie haben viele Gesellschaft

gesucht. Sie dachten sich: Wenn bei den Mitmenschen Abstand geboten ist, kommen

die Vierbeiner gerade richtig. Besonders beliebt sind noch immer Hunde und

Katzen; wobei die 17,5 Millionen Katzen die Schnauze deutlich vor den rund 11

Millionen Hunden haben. Kaninchen, Meerschweinen, Hamster, Ziervögel und Fische

folgen. (1)

Übrigens: Nicht immer ging

das gut aus mit dem neuen Haustier. Dann war die Herkunft unklar und das Tier

krank. Oder die neuen Besitzer merkten plötzlich, was das für eine Aufgabe ist,

sich jeden Tag um ein Tier zu kümmern.

Dennoch: Tiere sind aus dem

Alltag vieler nicht wegzudenken. Auch bei mir ist das so. Ich selbst habe zwar weder

Hund noch Katze. Aber als ich neulich das erste Mal wieder Freunde eingeladen

habe, brachten die gleich „Pepper“ mit, ihren kleinen, wilden Border Terrier.

Und wenn ich in meinem kleinen Garten sitze, freue ich mich über die

Eichhörnchen, die nach Nüssen suchen, die Rotkehlchen, die ihre Küken füttern

und die Bienen, die in den Blüten Nektar sammeln.

„Bewahrung der Schöpfung“ ist

wichtiger denn je, so scheint mir. Klimawandel, Insektensterben – und immer

mehr Arten sind bedroht oder schon verschwunden. Als Christ möchte ich einen Beitrag leisten zur Bewahrung der Schöpfung. Dabei

will ich nicht nur auf Gott und die Menschen schauen, sondern fragen: Was

brauchen wohl die Tiere?

Musik 1: C’mon Move, Komposition: Sebastian Studnitzky & Alisa Bergwerk; Album:

KY-Organic; Label: 2017 Contemplate; LC: 28353.

Autor: Den

Tieren begegne ich aber nicht nur in meinem Garten. Als Pfarrer lese ich immer

wieder von Tieren in den biblischen Geschichten. Zum Beispiel ganz am Anfang

der Bibel:

Sprecherin: Gott sprach: „Das Wasser soll von

Lebewesen wimmeln, und Vögel sollen fliegen über der Erde und am Himmel! (…)

Die Erde soll Lebewesen aller Art hervorbringen: Vieh, Kriechtiere und wilde

Tiere!“ Und so geschah es. (Gen 1,20.24 aus der Basisbibel)

Autor: Gott

erschafft die Tiere auf der Erde. Erst nach den Tieren macht Gott uns Menschen.

Noch bekannter ist vielleicht

die nächste tierische Geschichte im Buch der Bücher:

Sprecherin: Nimm von allen Lebewesen jeweils ein

Paar mit in die Arche. Je ein Männchen und ein Weibchen soll es sein, damit sie

mit dir am Leben bleiben. Von jeder Tierart sollen je zwei zu dir kommen: von den

Vögeln, dem Vieh und den Kriechtieren auf dem Boden. So bleiben sie am Leben.

(Gen 6,19–20 aus der Basisbibel)

Autor: So

geht die Geschichte von der Arche Noah: Noah bekommt von Gott den Auftrag, alle

Tierarten vor der Sintflut zu retten.

Musik 2: Anemos; Komposition: Sebastian Studnitzky; Album: KY-Organic; Label: 2017

Contemplate;LC: 28353.

Autor: In den

Geschichten ganz am Anfang der Bibel kommen die Tiere noch ganz allgemein vor:

Vögel, Vieh und Kriechtiere. Verteilt in der ganzen Bibel begegnen mir dann auch

Rinder, Schafe, Esel und Hunde. Und auch Löwen, Adler, Schakale, Heuschrecken,

Nilpferde, Störche, Mäuse, Geckos, Elefanten und viele viele mehr. Die Bibel

und ihre Geschichten sind voll von Tieren; so voll wie die Schöpfung, die

Natur, unsere Erde.

Obwohl so viele Tiere durch

die Bibel laufen, fliegen oder kriechen, spielen sie in der Theologie so gut

wie keine Rolle. Ich kann mich nicht erinnern, mich in meinem Theologiestudium

auch nur einmal mit Tieren befasst zu haben. Seltsam, denke ich. Kann man sich

denn mit Gott und den Menschen beschäftigen – so ganz ohne die Tiere? Ich gehe

zum großen Bücherregal in meinem Arbeitszimmer und ziehe mehrere staubige

Lehrbücher aus meinem Studium aus den Fächern. Beim Überfliegen der

Inhaltsverzeichnisse wird meine Vermutung bestätigt: in keinem dogmatischen,

ethischen oder bibelwissenschaftlichen Buch finde ich ein Kapitel zum Thema

Tiere.

Dabei schreibt sich doch auch

die Kirche die Bewahrung der Schöpfung auf die Fahne. Und die Tiere? Die Tiere

sind doch Teil dieser Schöpfung. Sie sind ganz im Wortsinn Geschöpfe. Warum

befasst sich die Theologie dann so wenig mit den Tieren?

Musik 2: Anemos; Komposition: Sebastian Studnitzky; Album: KY-Organic; Label: 2017

Contemplate; LC: 28353.

Autor: Wie gesagt: Als Christ möchte auch ich einen Beitrag leisten zur

Bewahrung unserer Welt. Der Blick auf die Tiere scheint mir hier besonders

spannend. Wenn die Theologinnen und

Theologen aber nicht weiterhelfen, dann gehe ich zu einem waschechten Fachmann

für Tiere.

Es ist ein sonniger

Spätsommertag im vergangenen Jahr. Obwohl ich schon einige Jahre in Köln lebe,

bin ich zum ersten Mal im Kölner Zoo. Ich bin mit Theo Pagel verabredet, dem

Zoodirektor. Gemeinsam mit ihm mache ich mich auf einen Rundgang. Dabei möchte

ich mehr über das Verhältnis von uns Menschen zu den Tieren erfahren. Der Zoo

in Köln scheint mir hierfür ein besonders guter Ort zu sein, denn …

O-Ton Pagel: „Der Kölner Zoo wurde am 22. Juli 1860

eröffnet. Damit sind wir der drittälteste existierende Zoo in Deutschland. Wir

sind nach wie vor einer der artenreichsten Zoologischen Gärten nicht nur in

Deutschland, sondern in Europa mit über 850 verschiedenen Tierarten, die man

hier sehen kann.“

Autor: So

viele verschiedene Tierarten hat die Bibel nicht zu bieten. Dennoch stellt sich

mir sofort eine Frage. Im Zoo leben die Tiere nicht frei. Wie auch? Es ist gut,

dass mir Tiger und Elefant nicht auf dem Weg begegnen, sondern in ihren Gehegen

sind. Gehören Tiere aber so „eingesperrt“?

O-Ton Pagel: „Also Vorwürfe, dass die Tiere hier

eingesperrt sind, dass sie Gefangene sind, die kann ich sehr ruhigen Gewissens

zurückweisen. Im Zoo halten wir Tiere unter seminatürlichen Bedingungen. Wenn

sie sich die Reviere im Freiland anschauen, dann werden Sie auch sehen, nicht

jedes Luxrevier ist gleich groß. Gefangener ist ja eigentlich eine Bestrafung

aus dem menschlichen. Da hat einer was gemacht, was nicht in Ordnung war, da

wird er gefangen und wird dann bestraft. Die Tiere im Zoo werden aber nicht

bestraft, sondern die Tiere im Zoo leben eigentlich in einem Resort, fünf

Sterne, all inklusiv.“

Autor: Der

Zoo nicht als Gefängnis, sondern als Luxusresort. So hatte ich das bislang auch

noch nicht gesehen. Weiter lerne ich von Zoodirektor Pagel, dass die meisten

Tiere in Zoos geboren sind. So genannte Wildfänge sind selten geworden. Und

dennoch sind Zootiere keine Haustiere. Im Zoo werden sie als das betrachtet was

sie sind: Wildtiere. Die Unterbringung ist entsprechend artgerecht. Die Zeiten

der dicken Löwen, die faul in der Sonne liegen, sind vorbei. Die Tiere werden

gefordert.

Musik 3: Luba; Komposition: Sebastian Studnitzky; Album: KY-Organic; Label: 2017

Contemplate; LC: 28353.

Autor: Wie

kann die Arbeit eines Zoos zur Bewahrung der Schöpfung beitragen? Theo Pagel erzählt

mir beispielhaft von einem Projekt:

O-Ton Pagel: „Immer, wenn wir in Köln Geld ausgeben

für eine bessere Tierhaltung, für mehr Informationen für die Besucher, da

hängen wir da auch ein Naturschutzprojekt dran. Und in Swasiland, also im

südlichen Afrika, gibt es Konflikte zwischen Menschen und Tieren. Es sterben

Menschen durch Krokodile und Flusspferde. Und wir haben da Kollegen vor Ort,

mit denen wir daran arbeiten, dass die Tiere nicht mehr einfach abgeschossen werden,

sondern dass wir die heute einfangen, in Nationalparks verbringen, dort, wo sie

für Menschen keine Gefahr mehr darstellen.“

Autor: So werden die Tiere geschützt – und die Menschen

auch.

Als Besucher im Zoo suche ich meist

nur einen Zeitvertreib. Tatsächlich trägt ein Zoo etwas zur Bewahrung der

Schöpfung bei. Das war mir gar nicht klar.

„Die Erde soll Lebewesen

aller Art hervorbringen“, so heißt es am Anfang der Bibel. Erst nach den Tieren

wird der Mensch geschaffen. Und wir Menschen bekommen einen Auftrag:

Sprecherin: Gott sprach: „Lasst uns Menschen machen

– unser Ebenbild, uns gleich sollen sie sein! Sie sollen herrschen über die

Fische im Meer und die Vögel am Himmel, über das Vieh und die ganze Erde, und

über alle Kriechtiere auf dem Boden.“ (Gen 1,26 aus der Basisbibel)

Autor: Als

Mensch habe ich die Aufgabe, über die Tiere zu „herrschen“, wie es in der Bibel

heißt. Doch Herrschaft heißt nicht Unterdrückung. Ein Herrscher hat

Verantwortung – Verantwortung für das, was ihm anvertraut ist. Es geht um die Bewahrung

der Schöpfung. Als Mensch beauftragt mich Gott, mich um seine Schöpfung zu

kümmern: um die Erde, die Pflanzen, die Menschen und auch die Tiere. Diesen

göttlichen Auftrag nimmt auch Zoodirektor Pagel ernst.

O-Ton Pagel: „Es ist sicherlich der Glaube, aber auch die Grundeinstellung, dass

alle Lebewesen auf dieser Welt oder alle Geschöpfe Rechte haben und dass diese

Geschöpfe zu ehren sind. Und natürlich heißt es, wir sollen uns die Welt

untertan machen, aber wir haben auch dafür Sorge zu tragen.“

Autor: Theo Pagel ist bewusst, dass wir Menschen eine große

Verantwortung haben. Gerade deshalb weiß er, dass wir Menschen für viele

Probleme verantwortlich sind.

O-Ton Pagel: „Tiere sterben aus. Und wir haben als

Menschen kein Recht, es zuzulassen, dass die Tiere unseretwegen aussterben. Deshalb

kämpfe ich auch dafür, dass wir Wege finden, wie wir die Artenvielfalt

erhalten. Denn all die Probleme, die wir Moment haben, sind dadurch entstanden,

dass Menschen irgendwo Dinge gemacht haben, die man besser nicht tut. Und ich

glaube, und das ist meine Hoffnung, dass wir nach Corona so viel daraus gelernt

haben, dass der Natur und Artenschutz einen deutlich höheren Stellenwert bekommt

und auch noch effektiver sein wird, als er es momentan ist.“

Musik 3: Luba; Komposition: Sebastian Studnitzky; Album: KY-Organic; Label: 2017

Contemplate; LC: 28353.

Sprecherin: „Sie sollen herrschen über die Fische im

Meer und die Vögel am Himmel, über das Vieh und die ganze Erde, und über alle

Kriechtiere auf dem Boden.“

Autor: Der Auftrag Gottes, er gilt allen Menschen – jedem

und jeder von uns. Sie und ich, jede und jeder Einzelne ist von Gott

beauftragt. Herrscht über die Erde! Nehmt eure Verantwortung ernst! Tut etwas

für die Schöpfung! Bewahrung der Schöpfung, das kann ganz unterschiedlich

geschehen. Einen Hund oder eine Katze aus dem Tierheim aufnehmen; eine Vogeltränke

im Garten aufstellen; auf Eier aus Käfighaltung verzichten; darauf achten,

woher das Grillfleisch kommt. Vieles ist möglich. Jede und jeder kann etwas

beitragen. Zoodirektor Theo Pagel setzt sich für den Erhalt der Artenvielfalt

ein.

O-Ton Pagel: „Weit über 200 Arten sind das

mittlerweile. Es gibt hervorragende Beispiele, wie den kalifornischen Kondor.

Das ist ein großer Geier. Der im Westen Amerikas zu Hause war, große Probleme

hatte. Man hat dann alle, alle noch im Freiland befindlichen Tiere eingefangen.

Hat sie in San Diego im Zoo in eine Zuchtstation gebracht. Das habe ich mir

dann als junger Biologe mal angesehen. Und 25 Jahre später war ich dann in der

Lage, mit meiner Familie den Grand Canyon zu besuchen und haben wieder frei

fliegende kalifornische Kondore gesehen, also alle wieder ausgebürgert.“

Autor: Wenn wir den Auftrag Gottes annehmen, uns die

eigene Verantwortung bewusst machen, dann können wir solche traumhaften Momente

erleben. Vielleicht nicht immer so majestätisch wie mit den Kondoren im Grand

Canyon. Aber mit den Eichhörnchen und Bienen im Garten oder mit der

schnurrenden Katze auf dem Sofa. Ist ja auch schon was.

So

sollen wir herrschen über die Fische im Meer und die Vögel am Himmel, über das

Vieh und die ganze Erde, und über alle Kriechtiere auf dem Boden.

Einen

schönen Sonntag wünscht Ihnen Pfarrer Oliver Mahn aus

Köln.

Musik 4: What a Wonderful World (with Jessica Pilnäs & Johan Norberg);

Komposition: George Douglas & George David Weiss; Interpret: Nils Landgren;

Album: Christmas With My Friends IV; Label: Act Music; LC: 85387.

Quellen:

(1) https://www.zeit.de/news/2021-03/22/eine-million-mehrhaustiere-in-der-pandemie?utm_referrer=https://www.google.com (letzter Aufruf: 11.06.2021)

Redaktion: Landpfarrer Dr. Titus Reinmuth

  • 3.7.2022
  • Oliver J. Mahn
  • © CCO pixabay