Guten
Morgen,
heute ist der 11. September,
Nine Eleven. An den extremistischen Terroranschlag von New York vor 20 Jahren erinnern
noch Steine. An der Gedenkstätte in New York mahnen an der Stelle der
Fundamente der beiden Türme zwei große Wasserbecken. In Bronzeplatten an einer
Mauer rund um die Becken sind die Namen derer eingraviert, die dort ihr Leben
gelassen haben. Im Museum finden sich noch Mauerreste und Säulen der in sich
zusammengefallenen Gebäude. Ein Besucher beschreibt im Netz eindrücklich einen
Betonklotz. Fünf Etagen des World Trade Centers wurden wohl zu diesem Klotz zusammengepresst,
als die beiden Flugzeuge in die Gebäude hinein krachten und sie zum Einstürzen
brachten. Im Innenhof der amerikanischen Botschaft in Berlin hält ein
Gedenkstein die Erinnerung an die elf deutschen Opfer des Unglücks wach. (1) In
der Stadt, wo ja auch noch Reste der deutsch-deutschen Mauer stehen als Mahnmal
gegen Unfreiheit und verletzte Menschenwürde. Kurz nach ihrer Errichtung in den
1960-er Jahren stand auf schwarzen Plakaten mit weißen Buchstaben: „Die Steine
in der Mauer werden schreien.“ Und so, denke ich, war es ja dann wirklich bis
zum Mauerfall und bis heute. Da sind Worte des Propheten Habakuk aus der Bibel
zitiert. (2) Bei ihm geht es weiter: „Ihr habt so viele Völker zerschlagen, so
viele Leben auf dem Gewissen. Die Spuren Eurer Verwüstung werden noch lange
davon zeugen.“ (3) Als Jesus auf dem Weg nach Jerusalem ist und seine Anhänger
ihm zujubeln, verlangen die politisch und religiös Verantwortlichen: „Bring sie
zum Schweigen.“ Auch seine Antwort: „Wenn diese aufhören (zu schreien),
schreien die Steine.“ Damit sind damals die Steine des zerstörten Tempels in
Jerusalem gemeint.
Wo Anhänger von Frieden und
Gerechtigkeit und Liebe zu allen Lebewesen mundtot gemacht werden, da schreien
die Überreste vergangenen Unrechts. Sie mahnen zur Umkehr. Natürlich sollen wir
weiter Unrecht beim Namen nennen, uns für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen
und Unrecht in den Himmel schreien. Doch wir werden unterstützt von den
Steinen, denen man das Unrecht noch ansieht. Es ist gut so, dass es nicht nur
an uns hängt, ob Unrecht ankommt bei denen, die es wenden können und ob es
ankommt im Himmel. Und dass es nicht nur an uns hängt, ob es irgendwann aufhört.
Die Reaktion auf den menschenverachtenden Anschlag auf das World Trade Center damals
in den USA war Krieg. Nach 20 Jahren sind die damals in Afghanistan
installierten Truppen nun abgezogen worden und der Krieg gegen den Terror wurde
beendet. Erfolglos. Auch wenn dazu viel geschwiegen wird. Die Trümmer an den
verlassenen Orten, in den Seelen der Familien, die Menschen verloren haben und
die jetzt um ihr Leben bangen, die Trümmer der zerstörten Hoffnungen schreien
zum Himmel. Mögen die Schreie auch uns erreichen – damit wir weiter helfen. Mit
einer Luftbrücke. Mit weiterer Unterstützung der Projekte, die in dem Land
wirksam und hilfreich sind. Und damit wir beten: Gott, wende diese Not. Wir
schaffen es nicht allein.
Ihre
Pfarrerin Barbara Schwahn, Meerbusch.
(1)
Michael Moll, www.weltenbummler.de/blog/gedenkstätte-des-11-September und www.morgenpost.de/berlin/article102563568/Gedenkstein für deutsche
Terroropfer.
(2) Michael
Becker, Wochenandacht zu Monatsspruch Lukas 19,40, Werkstatt für Liturgie und
Predigt, 1-2021, S. 2.
(3)
Die Bibel, Habakuk 2,11.
Redaktion: Landespfarrerin
Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/56187_WDR3520210911Schwahn.mp3