Das schreit zum Himmel

Kirche in WDR3 | 11.09.2021 | 00:00 Uhr

Guten

Morgen,

heute ist der 11. September,

Nine Eleven. An den extremistischen Terroranschlag von New York vor 20 Jahren erinnern

noch Steine. An der Gedenkstätte in New York mahnen an der Stelle der

Fundamente der beiden Türme zwei große Wasserbecken. In Bronzeplatten an einer

Mauer rund um die Becken sind die Namen derer eingraviert, die dort ihr Leben

gelassen haben. Im Museum finden sich noch Mauerreste und Säulen der in sich

zusammengefallenen Gebäude. Ein Besucher beschreibt im Netz eindrücklich einen

Betonklotz. Fünf Etagen des World Trade Centers wurden wohl zu diesem Klotz zusammengepresst,

als die beiden Flugzeuge in die Gebäude hinein krachten und sie zum Einstürzen

brachten. Im Innenhof der amerikanischen Botschaft in Berlin hält ein

Gedenkstein die Erinnerung an die elf deutschen Opfer des Unglücks wach. (1) In

der Stadt, wo ja auch noch Reste der deutsch-deutschen Mauer stehen als Mahnmal

gegen Unfreiheit und verletzte Menschenwürde. Kurz nach ihrer Errichtung in den

1960-er Jahren stand auf schwarzen Plakaten mit weißen Buchstaben: „Die Steine

in der Mauer werden schreien.“ Und so, denke ich, war es ja dann wirklich bis

zum Mauerfall und bis heute. Da sind Worte des Propheten Habakuk aus der Bibel

zitiert. (2) Bei ihm geht es weiter: „Ihr habt so viele Völker zerschlagen, so

viele Leben auf dem Gewissen. Die Spuren Eurer Verwüstung werden noch lange

davon zeugen.“ (3) Als Jesus auf dem Weg nach Jerusalem ist und seine Anhänger

ihm zujubeln, verlangen die politisch und religiös Verantwortlichen: „Bring sie

zum Schweigen.“ Auch seine Antwort: „Wenn diese aufhören (zu schreien),

schreien die Steine.“ Damit sind damals die Steine des zerstörten Tempels in

Jerusalem gemeint.

Wo Anhänger von Frieden und

Gerechtigkeit und Liebe zu allen Lebewesen mundtot gemacht werden, da schreien

die Überreste vergangenen Unrechts. Sie mahnen zur Umkehr. Natürlich sollen wir

weiter Unrecht beim Namen nennen, uns für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen

und Unrecht in den Himmel schreien. Doch wir werden unterstützt von den

Steinen, denen man das Unrecht noch ansieht. Es ist gut so, dass es nicht nur

an uns hängt, ob Unrecht ankommt bei denen, die es wenden können und ob es

ankommt im Himmel. Und dass es nicht nur an uns hängt, ob es irgendwann aufhört.

Die Reaktion auf den menschenverachtenden Anschlag auf das World Trade Center damals

in den USA war Krieg. Nach 20 Jahren sind die damals in Afghanistan

installierten Truppen nun abgezogen worden und der Krieg gegen den Terror wurde

beendet. Erfolglos. Auch wenn dazu viel geschwiegen wird. Die Trümmer an den

verlassenen Orten, in den Seelen der Familien, die Menschen verloren haben und

die jetzt um ihr Leben bangen, die Trümmer der zerstörten Hoffnungen schreien

zum Himmel. Mögen die Schreie auch uns erreichen – damit wir weiter helfen. Mit

einer Luftbrücke. Mit weiterer Unterstützung der Projekte, die in dem Land

wirksam und hilfreich sind. Und damit wir beten: Gott, wende diese Not. Wir

schaffen es nicht allein.

Ihre

Pfarrerin Barbara Schwahn, Meerbusch.

(1)

Michael Moll, www.weltenbummler.de/blog/gedenkstätte-des-11-September und www.morgenpost.de/berlin/article102563568/Gedenkstein für deutsche

Terroropfer.

(2) Michael

Becker, Wochenandacht zu Monatsspruch Lukas 19,40, Werkstatt für Liturgie und

Predigt, 1-2021, S. 2.

(3)

Die Bibel, Habakuk 2,11.

Redaktion: Landespfarrerin

Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/56187_WDR3520210911Schwahn.mp3

  • 11.9.2021
  • Dr. Barbara Schwahn
  • © CCO Pixabay
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