Guten Morgen.
Eine traurige Nachricht: Gestern Abend
hieß es für mich mal wieder Abschied nehmen. So lange haben wir uns gekannt. So
viel Zeit haben wir miteinander verbracht. Ihr seid mir so vertraut geworden –
gefühlt kenne ich euch besser als meine eigene Familie. Und nun? Werden wir uns
nochmal wiedersehen? Mich beschleichen Trauer und Leere, dieses bekannte Loch,
wenn es wieder einmal zu Ende gegangen ist. Zu Ende mit der Staffel. Zu Ende
mit der endlosen Fortsetzung. Es ist mal wieder soweit: Meine Fernseh-Familie
hat das Serienfinale erreicht. Sie ist gegangen, ich bleibe traurig zurück.
Liebe Serien-Verwandte, ich danke
euch! Ihr habt mir Corona versüßt, mir die Abstinenz von Freunden und Familie
erleichtert. Stunden haben wir miteinander verbracht, miteinander gelacht und
geweint, Höhen und Tiefen geteilt. Ihr werdet mir fehlen, Sheldon, Leonard,
Penny und Amy Farrah Fowler. Und wohin auch immer ihr nun geht – bitte grüßt
mir Mutter Beimer, Else Kling und all die anderen, die vor euch vom Bildschirm
gingen. Und bitte: wartet noch bevor ihr Meredith, Jackson und Dr. Bailey zu
euch holt. Sie werden doch noch gebraucht im Grey Sloan Hospital, wo die
Belegschaft gerade mit uns allen gegen Corona antritt.
Und ich gestehe auch: Vor allem
brauche ich euch. Wir brauchen euch: Zuhause, abends auf der Couch. Als
nichts mehr ging, ward ihr da – auf allen Fernsehkanälen. Tröstende
Gesellschaft in Zeiten des Alleinseins, nur einen Knopfdruck entfernt. Ihr ward
nah als anderen fern waren, echte Gesichter und echte Schicksale, unmaskiert
und unbeschönigt.
Und ich merke immer wieder, seit
Jahren schon und jetzt erst recht: Der Abschied von meiner Fernseh-Familie, von
Brüdern und Schwestern, Freunden, Müttern, Vätern und Kindern in einer guten
Serie oder einem guten Buch – der fällt mir manchmal schwerer als der Abschied
von meinen echten Lieben im echten Leben.
Dabei habe ich ein gutes Verhältnis zu
meiner Familie. Anders als Jesus zum Beispiel, der laut Berichten in der Bibel seine
Mutter und Geschwister einfach abblitzen lässt. Stattdessen erklärt er die
Menschenmenge, die vor ihm sitzt und ihm zuhört, zu seinen wahren Verwandten.
Jesus hat
schon als Zwölfjähriger kein Verständnis dafür, dass seine Mutter ihn vermisst und alle wie verrückt
nach ihm suchen, während er seelenruhig im Tempel sitzt und den Schriftgelehrten
lauscht.
Manchmal muss man sich eben
entscheiden: Wer ist mir eigentlich lieber? Meine „echte“ Familie oder die, die
mit mir Wort und Glauben teilt?
Für Jesus ist die Sache klar: „Wer
tut, was Gott will, der ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter.“
(Markus 3,35, BasisBibel). Ich lese das und denke mir: Gott sei Dank! Es ging
auch schon Menschen vor mir so, dass man sich anderen manchmal näher fühlt als
seiner eigenen Familie.
Dazu ist das Finale in der Bibel auch
noch großartig: Mit dem Tod ist es nicht zu Ende – sondern dann folgt noch die
Auferstehung Jesu. Ich atme auf: Gott sei Dank – Fortsetzung folgt offenbar. Kein
Abschied, sondern frohe Botschaft: Wir sehen uns und hören uns wieder, Gott! Bis
bald – und einen gesegneten Sonntag!
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
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